ZEITEN DES GEDENKENS:
Ein erinnerungspolitischer Jahreskalender

„Sämtliche Märtyrer sind wie Weizenkörner: Von der Erde bedeckt, werden sie keimen und reichlich Frucht tragen!“

Patriarch Bischof Sawen Jerjajan im ersten Gedenkgottesdienst an die Opfer des 11./24. April 1915

Datum
Bezeichnung
Historischer Hintergrund

27. Januar

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus; Internationaler Holocaust-Gedenktag

Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 wird in Israel seit 1959 als Gedenktag begangen. 1996 erklärten ihn der deutsche Bundespräsident, der Bundeskanzler und der Innenminister zum Gedenktag an sämtliche Opfer des Nationalsozialismus, die der damalige Bundestagspräsident Lammers 2008 sehr extensiv spezifizierte: „Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.“ Die Vereinten Nationen erklärten 2005 den 27. Januar zum Internationalen Holocaust-Gedenktag.

16. März

Halabja/Anfal Genocide

Am 16. und 18. März 1988 griff irakisches Militär unter Saddam Hussein die kurdische Stadt Halabdscha (Nordirak) mit chemischen Waffen, darunter die Nervengase Tabun, Sarin, VX und Senfgas, an. 5000 Menschen – meist Frauen, Kinder und Ältere – starben, 7000 weitere wurden, teilweise für lange Zeit, verletzt oder mit Schädigungen geboren. Der Giftgasangriff war Teil der umfassenderen, Anfal genannten Operation zur systematischen Vernichtung der kurdischen Bevölkerung des Irak.

21 Jahre später ergriff 2009 die halbautonome Regionalregierung Kurdistans die Initiative und beantragte bei den Vereinten Nationen die Anerkennung des 16. März als internationaler Gedenktag; erstmals wurde das Jahresgedenken am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York und unter Beteiligung von Mitgliedern der irakischen Regierung abgehalten.

Mehr Info:
https://www.youtube.com/watch?v=dj8wpeY47os

7. April

Day of Remembrance of the Victims of the Rwanda Genocide

Am 7. April 1994 begann der etwa 100 Tage anhaltende Völkermord in Ruanda, dem an die 800.000 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen – die meisten von ihnen Angehörige der Minderheit der Tutsi (neben Oppositionellen aus der Mehrheitsbevölkerung der Hutu). Dieser Genozid wurde nicht zuletzt durch verantwortungslose, zum Massaker aufhetzende Rundfunksendungen ausgelöst. Die Opferzahlen schwanken zwischen einer halben bis einer Million Menschen bzw. 25% der Gesamtbevölkerung des ostafrikanischen Landes. Sexuelle Gewalt – Vergewaltigungen und Verstümmelung von Genitalien bei Frauen und Männern – bildeten ein besonderes Merkmal dieses Völkermords.

1995 forderten die Vereinten Nationen ein Programm “The Rwanda Genocide and the United Nations”, um die “Zivilgesellschaft zum Gedenken an die Völkermordopfer und Erziehungsmaßnahmen zu mobilisieren“. Seit 2004 wird der 7. April regelmäßig als Gedenktag begangen.

8. April

Por(r)ajmos („Das Verschlingen“); Kali Trasch („Schwarze Angst“)

Am 8. April 1971 führten Roma bei einem Treffen in London die Flagge ihrer Gemeinschaft ein. Dieser Tag wurde auch zum Jahresgedenken an die Opfer des NS-Genozids an der Sinti- und Roma-Bevölkerung 1942-45 bestimmt. Von den deutschen Sinti und Roma starben rund 15.000 in den Gaskammern der Vernichtungslager. Das Ausmaß des gesamten nationalsozialistischen Völkermordes an den Zigeunern lässt sich nur grob abschätzen. Denn die deutsche Besatzungsmacht delegierte in vielen Ländern die Zigeunervernichtung an ihre jeweiligen Statthalterregime. Zudem waren die Zigeuner – anders als die zumeist in bürgerlichen Verhältnissen lebenden Juden –in geringerem Maße in den Personenregistern erfasst. Und drittens stand dieser Völkermord lange im Schatten des größeren an den Juden; entsprechend verspätet nahm sich die historische Forschung des Porrajmos an. Heute schätzen Historiker, dass die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten 220.000 bis 500.000 der rund 700.000 europäischen Roma töteten. Um den Opfern die Ehre zu erweisen, wurde in den 1990er-Jahren der Bezeichnung Porrajmos für diesen Völkermord gewählt. Sie ist allerdings nicht von allen Roma-Organisationen anerkannt.

Mehr Info:
http://www.youtube.com/watch?v=L7IMOFCj67Y

17. April

Kambodscha Genozid-Gedenktag

Mit der Einnahme der Hauptstadt Phnom Penh am 17. April 1975 durch Streitkräfte der Roten Khmer begann das beispiellose Experiment einer bis 1978 andauernden grausamen sozialen Umgestaltung der Gesellschaft („Steinzeit-Kommunismus“, Erziehungsdiktatur): Durch physische Vernichtung der bestehenden sozialen Schichten („Klassen“) sollte eine klassenlose Gesellschaft entstehen, die überwiegend aus versklavten Landarbeitern anstelle von gebildeten Stadtbewohnern bestehen sollte. Religiöse und familiäre Bindungen sollten vollständig zerschlagen bzw. durch strikte Loyalität gegenüber dem Staat ersetzt werden. Bildungs- und Produktionsstätten sowie Krankenhäuser wurden geschlossen. Die gebildete Schicht Kambodschas – Ärzte, (Hochschul-)Lehrer, Anwälte, Ingenieure usw. – wurde samt ihren Familienangehörigen ebenso gezielt ermordet wie die Angehörigen religiöser (Cham-Muslime, Christen) bzw. ethnischer Minderheiten (Chinesen, Thai, Vietnamesen) oder Kambodschaner, die für Abkömmlinge dieser Minderheiten gehalten wurden. Die Kenntnis einer Fremdsprache, Brillentragen, Lachen, Weinen oder eine Liebeserklärung konnten bereits zur Erschießung führen.

Der Völkermord in Kambodscha trägt ebenso Merkmale eines Soziozids, wie eines Genozids und Demozids: Ein Fünftel (21%; Cambodja Genocide Project der Yale University) bis ein Drittel der Gesamtbevölkerung – schätzungsweise eine bis drei Millionen Menschen – wurde von den eigenen Machthabern ermordet; die Mehrheit der kompetenten Autoren geht inzwischen von 2,2 bis 2,5 Mio. Opfern aus.

Mehr Info:
https://www.hmd.org.uk/news/item/cambodian-genocide-17th-april-1975
https://www.youtube.com/watch?v=1-SI8RF6wDE

19. April

Jom haScho’a

Der Aufstand im Warschauer Ghetto am 19. April 1943 wird in Israel seit dem 21. April 1951 als Gedenktag sowohl an die Opfer der nationalsozialistischen Judenvernichtung begangen, als auch im Gedenken an den jüdischen Widerstand. Da der Aufstand nur einen Tag vor dem Passah-Fest erfolgte, wurde der Gedenktag auf den 27. Nisan des jüdischen Kalenders verlegt. Im gregorianischen Kalender variiert dieser Tag. Er fällt 2013 auf den 8. April, 2014 auf den 28. April, 2015 auf den 16. April und 2016 auf den 5. Mai.

Außerhalb Israels wird der Gedenktag von manchen jüdischen Gemeinden inzwischen ebenfalls begangen, so z.B. von der jüdischen Gemeinde Berlins.

Mehr Info:
https://www.youtube.com/watch?v=dIMU90Qr3Cc

11./24. April

Offizieller Gedenktag in Armenien und in der Diaspora weltweit

Am 24. April 1915 (11. April nach dem damals auch im Osmanischen Reich üblichen julianischen Kalender) begann mit der Massenfestnahme von Armeniern in der Hauptstadt Konstantinopel der Genozid an armenischen Bürgern des Osmanischen Reiches. Binnen dreier Tage wurden nach bereits früher zusammengestellten Listen Lehrer, Dichter und Schriftsteller, Journalisten, Parlamentsabgeordnete sowie politische Aktivisten, Geistliche, Unternehmer und andere Angehörige der intellektuellen Elite festgenommen und in das Landesinnere deportiert, unter dem Vorwand gerichtlicher Untersuchungen. Fast alle starben in den kommenden Monaten bei Foltern während der Verhöre oder bei den anschließenden Massakern und Deportationen (Todesmärschen). Nach Schätzung der deutschen Botschaft Konstantinopel sowie des armenisch-apostolischen Patriarchats zu Konstantinopel starben 1,5 von 2,5 Millionen (1914) der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich.

Die Flucht der jungtürkischen Täter noch vor der osmanischen Kriegskapitulation ins Ausland sowie die Präsenz der westlichen Alliierten in Konstantinopel schufen die Voraussetzungen dafür, 1919 der „Aprilmärtyrer“ zu gedenken: Noch im März 1919 bildete sich ein „Ausschuss für die Trauerzeremonie zum 11. April“, um mit Gedenkgottesdiensten und Lesungen die Erinnerung an die 1915 Ermordeten wachzurufen. Wegen der Erkrankung des armenisch-apostolischen Patriarchen wurde jedoch die Zeremonie um einen Tag, auf den 12. April 1919, verschoben. Sie fand in der Kirche zur Hl. Dreifaltigkeit im Konstantinopler Ortsteil Pera statt, unter Teilnahme von Vertretern der griechisch-orthodoxen Aghia Triada-Kirche sowie der Republik Armenien. In derselben Kirche wurde auch eine Seelenmesse zur Erinnerung an jene amerikanischen Missionare abgehalten, die während des Weltkrieges im Osmanischen Reich den Tod gefunden hatten. Gegen Mittag zog die Trauergemeinde in die armenische evangelische Heilige Dreifaltigkeitskirche im Ortsteil Çeşme um, wo nach der Seelenmesse eine Trauerveranstaltung mit geistlicher Musik, Lesungen aus den Werken der verschleppten und ermordeten Autoren sowie Vorträgen stattfand. Sämtliche armenischen Schulen und Geschäfte der Stadt blieben an diesem Tag geschlossen. Am 25. April 1919 wurde in der armenisch-katholischen Kirche des Vatikan mit Zustimmung des Papstes und unter breiter Beteiligung der in Italien lebenden Armenier eine Seelenmesse für die ermordeten Armenier gehalten, an der sich auch der italienische Parlamentspräsident sowie der französische Botschafter beteiligten.

1921 wandte sich der Katholikos aller Armenier, Geworg V. Surenjanz, mit einem Sonder-Hirtenbrief an den armenisch-apostolischen Patriarchen zu Konstantinopel, in dem er vorschlug, den 11./24. April zum nationalen Trauertag „zur Erinnerung an unsere hunderttausenden Märtyrer während des Großen Krieges“ zu erheben und erklärte den Tag zum offiziellen kirchlichen Trauertag des Katholikats von Etschmiadsin. Am 23. April wies das Konstantinopler Patriarchat alle armenischen Redaktionen in der Stadt an, „ab heute den Gedenktag zur Erinnerung an die Konstantinopler Intellektuellen (…) am selben Tag als Trauertag für die Opfer des Krieges und der Deportation zu begehen.“

Auch viele aramäischsprachige bzw. syrisch-orthodoxe Christen (Eigenbezeichnungen: Suryoye) begehen den 24. April als Gedenktag an ihre eigene Verfolgung und Vernichtung unter osmanischer Herrschaft.

4. Mai

Tertelê Dersim

Am 4. Mai 1937 fasste der türkische Ministerrat den geheimen Beschluss zur Vernichtung der alewitischen Bevölkerung der Region Dersim, nachdem bereits 1934 Regierungsbeschlüsse zur Entvölkerung und Deportation erfolgt waren und im Dezember 1935 Dersim per Sondergesetz einem mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Militärgouverneur unterstellt worden war. Eine durchtrennte Telefonleitung sowie die Sprengung einer Brücke dienten im März 1937 als Vorwand für eine militärische Strafexpedition und den erwähnten Geheimbeschluss des Ministerrats zur „Endlösung“ der Dersim-Frage. Diese erfolgte in zwei Etappen: im November 1937 wurde mit der Festnahme und anschließenden Erhängung des greisen Stammesführers Pir Sey Riza und seiner Getreuen in Erzincan die spirituelle Elite der Alewiten Zentraldersims vernichtet, worauf im Frühjahr 1938 die Massakrierung ganzer Stämme – bis zu 70.000 Menschen – durch die türkische Armee folgte, selbst wenn diese sich bereits ergeben hatten. Höhlen, in denen Frauen und Kinder Zuflucht gesucht hatten, wurden zugemauert bzw. in Brand gesetzt und die vor dem Erstickungstod Flüchtenden erschossen. Die Bevölkerung der Randgebiete Dersims wurde zwangsumgesiedelt.

Die Staatsverbrechen in Dersim, die im Namen der Einheit der türkischen Nation sowie der Modernisierung durch Bekämpfung stammesgesellschaftlicher Strukturen erfolgten, hat der türkische Regierungschef Erdoğan bei verschiedenen Anlässen – zuletzt 2011 – als „Massaker“ (katliyam) umschrieben, nicht jedoch als Genozid (türk. Jenosid, soykirim). Im November 2012 reichte der Anwalt Doğan Erdal beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) die Klageschrift von Dersimis ein, die in Europa sowie den USA leben. Die Kläger wollen sich ebenfalls an den Menschenrechtsgerichtshof der Vereinten Nationen wenden.

Mehr Info:
https://www.aga-online.org/dersim/

19. Mai

Offizieller Gedenktag in Griechenland und in der weltweiten pontosgriechischen Diaspora

Am 19. Mai 1919 landete Mustafa Kemal in Samsun. Von diesem Datum an begann er mit der Organisation des bis dahin nicht organisierten, bewaffneten türkisch-nationalistischen Widerstands gegen die alliierten Besatzer des Osmanischen Reiches und vor allem gegen die griechisch-orthodoxe Bevölkerung sowie armenische Überlebende. Für die griechisch-orthodoxe Bevölkerung begann damit die dritte und abschließende Phase ihrer Vernichtung und dauerhaften Vertreibung aus der Schwarzmeerregion (Pontos) und dem übrigen Kleinasien.

Pontosgriechische Organisationen in Griechenland sowie der Diaspora hatten seit den 1980er Jahren die Forderung nach Anerkennung des Genozids an den Pontosgriechen erhoben. Per Parlamentsbeschluss erklärte 1994 der griechische Gesetzgeber den 19. Mai zum offiziellen Gedenktag.

21. Mai

Gedenktag an den Genozid an den Adyge (Tscherkessen)

Am 21. Mai 1864 endete mit dem Sieg der russischen Streitkräfte ein Jahrhundert des ungleichen Krieges russischer Eroberer gegen die indigene Bevölkerung des Nordkaukasus, die unter dem Sammelnamen „Tscherkessen“ in Europa bekannt wurde. Das sich abzeichnende Ende des „Russsisch-Tscherkessischen Krieges” (1763-1864) rief bereits 1858 eine Massenflucht von rund 30.000 Familien (ca. 200.000 Personen) der nordkaukasischen Muslime in das benachbarte Osmanische Reich hervor. Zwischen 120.000 und 150.000 Tscherkessen wurden nach dem Sieg von 1864 in andere Regionen des Russischen Reiches zwangsumgesiedelt und rund eine halbe weitere Million ins Osmanische Reich deportiert. Das bedeutet, dass es keine Angaben zu rund einer Million Tscherkessen gibt, und wenn man noch die Opfer der Vertreibung hinzuzählt, gab es wohl fast 1,5 Millionen Opfer. Manche tscherkessische Organisationen gehen heute von über 1,5 Millionen Opfern im Verlauf des einhundertjährigen „Russisch-Tscherkessischen Krieges“ und einer Million Vertriebenen aus.

Die Einwanderung von Tscherkessen türkischer Staatszugehörigkeit in Länder der EU führte seit den Ende der 1960er Jahre zur Gründung von Selbstorganisationen und zu einer erinnerungspolitischen Erweckung: Vom 19.-21. Mai 1990 fand in den Niederlanden die Gründung eines Weltkongresses der Tscherkessen (später umbenannt in Internationale Tscherkessische Vereinigung – engl. abgekürzt ICA) statt. Im Januar 2007 verlangten 20 adygäische Organisationen aus Russland, der Türkei, Israel, Jordanien, Syrien, den USA, Belgien, Kanada und Deutschland vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, „den Genozid gegen die Adyge (Tscherkessen) anzuerkennen, der seit Ende des 18. Jhs. vom russischen Staat bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ verübt wurde. Am 21. Mai 2009 gedachten Tscherkessen in Berlin des 145. Jahrestags des Genozids durch das zaristische Russland; diese Gedenkfeier stand unter der Schirmherrschaft der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das 150. Genozidgedenken wird mit der Winterolympiade in Sotschi (2014) zusammen fallen.

11. Juli

Srebrenica Genocide Day

Nach dem Fall der bosnischen Stadt Srebrenica am 11. Juli 1995 begannen bosnisch-serbische Streitkräfte unter dem Kommando von General Ratko Mladi sowie paramilitärische Einheiten mit der Hinrichtung von über 8.000-10,000 bosnischen muslimischen Männern (Zivilisten und Kriegsgefangene ungeachtet ihres Alters, die in der Stadt und ihrer Umgebung Zuflucht gesucht hatten). Die Opfer wurden zunächst in Massengräbern beerdigt, danach mit Bulldozern ausgegraben und in kleinere Gräber verlegt, so dass die Überreste eines Opfers über verschiedene Gräber verstreut sein können, was ihre Identifizierung erschwert. Die sterblichen Überreste werden erst dann zur dauerhaften Beisetzung freigegeben, falls mindestens zwei Drittel eines Körpers geborgen werden konnten. Bis Mitte 2012 konnten erst 5.137 Opfer geborgen und dauerhaft bestattet werden.

Darüber hinaus wurden 1995 etwa 25.000 weitere Menschen in einer von den Vereinten Nationen unterstützen “ethnischen Säuberung” zwangsumgesiedelt.

Das Europäische Parlament hat Anfang 2009 den 11. Juli zum Gedenktag an die Opfer des Srebrenica-Genozids innerhalb der europäischen Union erklärt.

Mehr Info:
https://www.youtube.com/watch?v=zeKWJb9tPN8

7. August

Simele Genozid (Premta d-Simele)

Weil das Massaker vom 7.-11. August 1933 in der nordirakischen Kleinstadt Simele das erste einer Serie von Massakern im August 1933 durch irakische Regierungstruppen und kurdische Hilfstruppen unter der Führung des kurdischstämmigen Generals Bakr Sidqi war, wurde Simele zum Oberbegriff und bezeichnet auch die fortgesetzten Tötungen an Männern, Frauen und Kindern in 63 assyrischen Dörfern der nordirakischen Bezirke Dohuk und Mossul. Hierbei starben schätzungsweise insgesamt 3.000 Assyrer. 15.000 Assyrer flüchteten aus der Niniveh-Ebene in das benachbarte, damals unter französischem Mandat stehende Syrien, wo am Ufer des Chabur-Flusses 35 neue Dörfer entstanden.

In noch weiterem Sinn steht Simele als Inbegriff für den Genozid an aramäischsprachigen Christen seit 1914, die im osmanisch besetzten Nordwest-Iran (1914, 1918) sowie im osmanischen Hoheitsgebiet von Türken und Kurden osmanischer Staatszugehörigkeit, in späteren Jahren auch von arabischen Nationalisten ermordet wurden. Dabei kamen etwa zwei Drittel der aramäischsprachigen Bevölkerung des Nahen Ostens ums Leben.

Für den Juristen und Historiker Dr. Raphael Lemkin bildeten die Vernichtung von Christen im Osmanischen Reich sowie die Massaker an Assyrern im Irak 1933 die empirische Grundlage für seine Definition von Völkermord, die er bereits im selben Jahr 1933 als Vertragsentwurf einer Juristen-Tagung des Völkerbundes in Madrid vorlegte, allerdings erfolglos. Erst nach einem weiteren Weltkrieg und der Vernichtung der europäischen Juden verabschiedeten die Vereinten Nationen 1948 die von Lemkin wesentlich geprägte Konvention zur Bestrafung und Verhütung von Genozid.

1970 erhob die Assyrische Welt-Allianz (Assyrian Universal Alliance – AUA) den 7. August zum nationalen Trauertag. 2004 verbot die syrische Regierung die Abhaltung von Gedenkveranstaltungen und drohte den politischen assyrischen Organisationen mit Verhaftung, falls sie doch Gedenkfeiern durchführen sollten.

Mehr Info:
http://www.atour.com/history/1900/20090405b.html

11. August

Genozid an Herero und Nama (Herero and Namaqua Genocide)

Die Wegnahme von Weideland der Herero durch deutsche Kolonisten führte im Januar 1904 zur Erhebung der Herero unter ihrem Anführer Samuel Maherero und zur direkten Konfrontation mit deutschen kolonialen Schutztruppen, zunächst unter Major Theodor Leutwein. Sein Nachfolger Generalleutnant Lothar von Trotha lehnte jedoch Verhandlungen mit den Herero ab. Am 11. August 1904 begann unter seiner Führung die Schlacht am Waterberg-Plateau, bei der Trotha den Herero und ihren Familien alle Rückzugsmöglichkeiten bis auf den Weg in die Omaheke-Wüste abschnitt, in der sie verdursten mussten. Der Stamm der Nama, der sich zeitgleich gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhob, wurde in zermürbenden Guerillakriegen, die bis 1908 andauerten, vernichtet. Insgesamt starben bis zu 65.000 Nama und Herero, viele davon in Konzentrationslagern. Überlebende wurden in Reservaten angesiedelt, wo Herero- und Nama-Frauen vergewaltigt wurden. An den Abkömmlingen von Nama und Buren („Baster“ – „Bastarde“), die aus der Kapregion zugewandert waren und sich einige Jahre nach den Hereros gegen die Deutschen erhoben, studierten deutsche Naturwissenschaftler wie vor allem der Eugeniker Eugen Fischer die angeblichen Folgen der „Bastardisierung“. Fischers Studie „Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen: Anthropologische und ethnographische Studien am Rehobother Bastardvolk in Deutsch-Südwest-Afrika“ (1913) diente als Grundlage und Rechtfertigung für die nationalsozialistischen Rassegesetze und die Vorstellungen der Nazis von „Rassereinheit“, „Rassenmischung“ bzw. „Mischehen“, die in der deutschen Kolonie „Südwest“ bereits 1905 behördlich verboten wurden.

Die Schädel und Knochen eigens für diesen Zweck ermordeter männlicher Hereros wurden ebenfalls zu „Studienzwecken“ nach Deutschland geschickt. Allen Schwarzafrikanern wurde der Besitz von Land oder Vieh verboten, und die Stammesgebiete wurden beschlagnahmt. Bis heute sitzen die Nachfahren der deutschen Siedler auf dem enteigneten Herero- und Namaland.

Zwar hat die damalige Entwicklungsministerin Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul beim 100. Gedenken in Namibia das deutsch-koloniale Vorgehen gegen Herero und Nama als Genozid bezeichnet, Wiedergutmachungsleistungen jedoch abgelehnt. Nur ein geringer Teil der für deutsche Rassekundler bereitgestellten Schädel und Skelette wurde inzwischen zurückgegeben. Eine 2007 von der oppositionellen Partei „Die Linke“ eingebrachte Gesetzesvorlage zum Genozid an den Herero und Name wurde in einer kaum von Abgeordneten besuchten Sitzung erörtert und Anfang 2008 vom Bundestag abgelehnt.

Mehr Info:
https://www.namibian.com.na/index.php
http://www.ezakwantu.com/Genocide.htm

14. September

Smyrna Holocaust; offizieller Gedenktag in Griechenland an die Opfer des Genozids an den Griechen Kleinasiens

Am 13. September 1922 (30. August nach julianischem Kalender) setzten Soldaten der kemalistischen Streitkräfte die christlichen Viertel der überwiegend von Christen (Griechen, Armenier, Levantiner) bewohnten Hafenstadt und ionischen Hauptstadt Smyrna (türk. Izmir) in Brand und massakrierten die christlichen Zivilbevölkerung der unverteidigten, schutzlosen Stadt. Bis zu 120.000 Griechen und Armenier starben zwischen „Wasser, Feuer und Schwert“, unter ihnen viele Flüchtlinge, die in Smyrna Zuflucht vor den kemalistischen Streitkräften gesucht hatten. Wer nicht massakriert wurde oder in seinem Haus verbrannte, ertrank bei dem Versuch, sich von den Hafenquais zu den Schiffen einer im Golf von Smyrna ankernden internationalen Flotte zu retten, deren Angehörige jedoch weitgehend untätig blieben und den bedrängten Menschen nicht halfen. Alle christlichen Männer osmanischer Staatszugehörigkeit der Altersgruppe 18-45, die nicht bis zum 30. September 1922 das Land verlassen hatten, wurden anschließend als Kriegsgefangene behandelt und zur Zwangsarbeit ins Landesinnere verschleppt. Der Großteil überlebte die absichtlich strapaziös gehaltene Deportation zu Fuß und die anschließende Zwangsarbeit nicht. Das griechische Parlament erhob 1998 den 14. September zum nationalen Gedenktag.

In das Gedenken einbezogen sind nicht nur die Opfer von 1922 in Smyrna und Umgebung, sondern sämtliche griechisch-orthodoxen Opfer im gesamten osmanischen Hoheitsgebiet seit 1912 bzw. 1914.

Mehr Info:
http://www.greek-genocide.org/faq.html
http://www.youtube.com/watch?v=RlJ8FdQISY8
http://www.youtube.com/watch?v=hLOCpyzMgps
http://www.youtube.com/watch?v=1eR712sef5I