Die „Schlacht am Waterberg“ zwischen deutschen kolonialen „Schutztruppen“ und indigenen Kriegern bezeichnet die Niederschlagung des Aufstands der (Ova)Herero, Nama, Darama und San gegen ihre zunehmende Entrechtung und Enteignung seit 1884. Unter der Führung Generalleutnants Lothar von Trotha ging dieser „Kolonialkrieg“ in Völkermord über, denn Trotha lehnte jegliche Verhandlungen mit den Herero ab und schnitt ihnen alle Rückzugsmöglichkeiten bis auf den Weg in die angrenzenden Ausläufer der Kalahari-Wüste (Omaheke, auch „Sandveld“) ab, wo sie und ihre Rinderherden verdursten mussten, zumal die Wassertränken von deutschen Soldaten besetzt waren.

„Aufräumen, aufhängen, niederknallen!“ lautete von Trothas Devise; er begriff den Aufstand der Herero vom 12. Januar 1904 als „Anfang eines Rassenkampfes“, den er mit einem „Vernichtungskrieg“ beantwortete. Am 2. Oktober 1904 gab v. Trotha einen allgemeinen Schießbefehl aus: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ Auf Drängen des Reichskanzlers Bernhard von Bülow nahm der deutsche Kaiser Wilhelm II. von Trothas unmenschlichen Schießbefehl zwei Monate später zurück, doch Trotha selbst wurde erst im November 1905 abberufen und erhielt den höchsten preußischen Orden „Pour Le Mérite“.

Deutschland unterstützte seine Kolonialtruppen durch die Entsendung von 14.000 Soldaten und stockte somit die ursprüngliche Truppenstärke von 2.000 Mann auf 16.000 auf. Von den ursprünglich bis 80.000 Herero überlebten nur etwa 16.000; von etwa 20.000 Nama starb jeder zweite. Ihr Tod war qualvoll, wie der Bericht des Oberleutnants Graf von Schweinitz veranschaulicht: „Menschenschädel und Gerippe und Tausende gefallenen Viehs lagen“ entlang des Pfades. „An vielen Stellen war in 15 bis 20 Meter tiefen aufgewühlten Löchern vergeblich nach Wasser gegraben (…) Alles lässt darauf schließen, dass der Rückzug ein Zug des Todes war.“

Am 9. Dezember 1904 ordnete Reichskanzler von Bülow – wohl nach dem Vorbild der „concentration camps“ aus dem Zweiten Burenkrieg (1899-1902) – die Einrichtung von „Konzentrationslagern“ zur „einstweiligen Versorgung und Unterbringung der Reste des Hererovolkes“ an. Im Unterschied zu den britischen Internierungslagern mussten die überlebenden Herero in den deutschen KZs Zwangsarbeit leisten und ihre Frauen die von gefallenen oder erhängten Hereros abgetrennten Köpfe skelettieren, die auf Anforderung der Berliner Universität zu wissenschaftlichen Zwecken nach Deutschland geschickt wurden und sich zu Tausenden bis heute in universitären deutschen Sammlungen befinden.

Bundesdeutsche Regierungen und Gesetzgeber haben sich bis in die unmittelbare Gegenwart geweigert, den von Deutschland zu verantwortenden Völkermord anzuerkennen, auch mit Blick auf Reparationsforderungen und Wiedergutmachungsprozesse der Herero. Ähnlich wie beim osmanischen Genozid an Christen vertritt die Bundesregierung eine ausweichende Position, die sich an einer klaren Qualifizierung der Verbrechen als Genozid vorbeizumogeln versucht. Zuletzt verkündete das Auswärtige Amt einer Pressemitteilung vom 10. Juli 2015 zufolge: „Die Bundesregierung teilt die Auffassung, ‚dass die politischen und militärischen Entscheidungsträger, die für die Gewaltexzesse während der Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches über Südwestafrika verantwortlich waren, eine schwere Schuld auf sich geladen haben‘“.

„Gewaltexzesse“ sind aber kein juristisches Synonym Völkermord und zählen auch nicht zu den definierten Verbrechen gegen die Menschheit (crimes against humanity), im Unterschied zu Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation, Haft, Folter und Vergewaltigung, die sämtlich im Zeitraum 1904-1908 an den Herero und anderen indigenen Ethnien im heutigen Namibia begangen wurden. Als erste bundesdeutsche Regierungsangehörige hat die damalige Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul während des Hundertjahresgedenkens 2004 in Namibia von Völkermord gesprochen. Der gegenwärtige Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Norbert Lammert, fand nicht nur am 24. April 2015 deutliche Worte für den osmanischen Genozid an Christen, sondern bezeichnete am 8. Juli 2015 in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Zeit“ die deutschen Verbrechen in der einstigen deutschen Kolonie „Südwest“ (1884-1915) ebenfalls als Genozid: „An den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen war die Niederschlagung des Herero-Aufstands ein Völkermord.“

Wir hoffen, dass der Deutsche Bundestag bald auch in Schriftform bzw. Resolutionen die Genozide in Namibia und im Osmanischen Reich förmlich anerkennt, denn in beiden Fällen war Deutschland dafür verantwortlich bzw. trug Mitverantwortung. 111 bzw. 100 Jahre danach kann der deutsche Gesetzgeber seiner historischen und geschichtspolitischen Verantwortung nicht länger ausweichen.

Zum Weiterlesen:

Fotostrecke mit historischen Fotodokumenten bei „spiegel“-Online:
http://www.spiegel.de/fotostrecke/herero-aufstand-schlacht-am-waterberg-fotostrecke-117670.html

Germany, Herero, and the Omaheke Desert:
http://www.risefromashes.org/herero/

Rückkehr von 35 Schädeln und 2 Skeletten aus Deutschland (Berlin und Freiburg):
http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fi.ytimg.com%2Fvi%2FMfgj…

Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert zum Genozid an Herero und Armeniern:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/herero-nama-voelkermord-deutschland-norbert-lammert-joachim-gauck-kolonialzeit

Auswärtiges Amt: „Dialog mit Namibia“, 10. Juli 2015:
http://www.bundestag.de/presse/hib/2015_07/-/383094

Resolutionsantrag der Fraktion „Die Linke“, 01.07.2015:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/054/1805407.pdf

Kleine Anfrage der Fraktion der „Grünen“ bei der Bundesregierung, 06.05.2015:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/049/1804903.pdf

WER MEHR TUN WILL: UNTERSCHRIFTENSAMMLUNG „VÖLKERMORD VERJÄHRT NICHT!“

Auch wenn nach unserer Meinung das Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ sich etwas zu früh freut, dass am 9. Juli 2015 die Bundesregierung den Genozid an den Herero und Nama anerkannt habe – siehe unseren Kommentar oben – läuft bis zum 02. Oktober 2015 die Unterschriftensammlung des Bündnis hinsichtlich der übrigen Forderungen fort. Wir empfehlen, sich daran zu beteiligen:

http://www.berlin-postkolonial.de/cms/index.php?option=com_content&view=article&id=70%3Avoelkermord&catid=5%3Ainterventionen&Itemid=11