Kurz nach dem Holocaust-Gedenktag (27. Januar) strahlt das Zweite Deutsche Fernsehen an zwei Abenden einen Spielfilm aus über das Schicksal der jüdisch-christlichen Familie Kornitzer in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegsjahre aus. Claire und Richard Kornitzer geben erst ihre beiden Kinder mit dem „Kindertransport“ nach Großbritannien, denn gelingt Richard Kornitzer die Flucht nach Kuba. Seine „arische“ Ehefrau Claire muss in Deutschland bleiben. Die Familie verliert den Kontakt zueinander und kann auch in den Nachkriegsjahren nicht die Auswirkungen der Trennung und Entfremdung überwinden.
Die Spielfilmhandlung beruht auf Ursula Krechels preisgekröntem Roman „Landgericht“, der wiederum auf dem autobiographischen Bericht „Person of No Nationality“ (dt. „Nationalität: Staatenlos“, 2016, Metropol-Verlag http://metropol-verlag.de/produkt/ruth-barnett-nationalitaet-staatenlos/) des AGA-Ehrenmitglieds Ruth Barnett (geb. 1935 als Ruth Michaelis) beruht. Im Alter von vier Jahren kam Ruth 1939 mit ihrem damals siebenjährigen Bruder durch den „Kindertransport“ nach England, wo sie im Verlauf der nächsten zehn Jahren in drei Ziehfamilien und einer Unterkunft für jüdische Kinder lebten. Sie ist der Prototyp der Selma im Spielfilm „Landgericht“. Völkermord, so ist Ruth Barnett aus eigener Erfahrung überzeugt, richtet auch bei den Überlebenden dauerhafte Schäden an – es gibt keine Rückkehr zur Normalsituation vor dem Verbrechen.
Ruths Vater gelang die Flucht nach Schanghai, von wo er 1945 zu seiner Frau nach Deutschland zurückkehrte. Ruths Mutter gehörte zu jenen etwa 200 nicht-jüdischen Frauen, die während der Nazizeit in der Berliner Rosenstraße gegen die Festnahme jüdischer Ehemänner durch die Gestapo protestierten. Dies blieb das einzige Beispiel deutlichen öffentlichen Protests gegen die Verfolgung von Juden in Nazi-Deutschland (a href=“http://www.het.org.uk/survivors-ruth-barnett“ target=_blank>http://www.het.org.uk/survivors-ruth-barnett).
In ihrer Wahlheimat England engagiert sich Ruth Barnett seit Jahren als Zeitzeugin in der schulischen Holocaust-Erziehung und für die Rechte von Minderheiten, insbesondere der „Travellers“ und Roma. Sie setzt sich ebenfalls für die Anerkennung des Völkermords an Armeniern, Aramäern/Assyrern und Griechen ein.
Am 23. Februar 2017 sprechen ab 20:00 Uhr im Literaturforum des Berliner Brecht-Hauses der Berliner Holocaustforscher Wolfgang Benz und der Historiker Markus Roth von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Universität Gießen: http://lfbrecht.de/event/nationalitaet-staatenlos-die-geschichte-einer-selbstfindung-nach-dem-kindertransport-1939-aus-hitlerdeutschland/