Die Freilassung des am 28.11.2007 verschleppten Abtes des Klosters Mor Jakup, Daniel Savci, durch seine Entführer hat allseits große Erleichterung ausgelöst. Allerdings bleiben viele Fragen offen bzw. scheint eine rückhaltlose Ermittlung erforderlich, um Spekulationen über politische Tathintergründe zu beenden. Dem Vernehmen nach soll der Abt von drei ihm unbekannten Jugendlichen entführt worden sein, die in ihrer Erpresserbotschaft das Wort „vernünftig“ verwendeten – Parallelen also zu der Ermordung Hrant Dinks und der evangelischen Christen in Malatya. Auch in dem größten syrisch-orthodoxen Dorf vermutete Erdölvorkommen und die damit einhergehende Wertsteigerung von Grundbesitz liefern Erklärungen für Versuche, die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft zu vertreiben.

28. November 2007, bei Midyat: Syrisch-Orthodoxer Mönch entführt

Die Entführung des syrisch-orthodoxen Mönches Daniel (weltlicher Name: Edip Savci), 40 Jahre, aus dem Kloster Mor Jakup, erfüllt aramäische Gemeinschaften und Menschenrechtsorganisationen weltweit mit großer Besorgnis. Die Verschleppung erfolgte unter merkwürdigen Umständen, in einer Region (Südosttürkei), über die seit langem Ausnahmezustand verhängt ist, und am helllichten Tag. Der Mönch befand sich auf einer Routinefahrt, um Internatsschüler aus Midyat abzuholen. Augenzeugen beobachteten, dass ein unbekannter Pkw seinem Wagen folgte. Die Entführer fordern eine Summe von 300.000 EUR, die die stark verschuldete syrisch-orthodoxe Kirche nicht aufbringen kann.

Wir erinnern daran, dass 2007 bisher ein Jahr der gesteigerten Gewalt gegen christliche Gemeinschaften in der Türkei war. Dazu zählten Morde an Geistlichen und Laien sowie Übergriffe auf kirchliche Gemeinschaften. Die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft besteht in ihrem Herkunftsgebiet Tur Abdin nur noch aus etwa 2.300 Menschen. Langjährige und kostspielige Gerichtsprozesse wegen Bodenbesitzes, der den christlichen Bauern von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung geraubt oder staatlich beschlagnahmt wurde, sind an der Tagesordnung, ebenso wie die religions- und kulturpolitische Austrocknung der kleinen Restgemeinde: 1997 ließ der damalige Gouverneur von Mardin den Unterricht von Aramäisch als angeblich staatsgefährdet verbieten. Das Verbot wurde bis heute nicht aufgehoben. Wie auch der armenisch-apostolischen und griechisch-orthodoxen Kirche ist der syrisch-orthodoxen die Ausbildung von Priesternachwuchs durch Verbote unmöglich gemacht worden. Gemeinsam mit dem Verein der Völkermordgegner e.V. fordert die AGA:

Im Entführungsfall des Mönches Daniel:

– Schnelle und umfassende Ermittlungen sowie Bestrafung der Täter

Als Sofort-Mindestmaßnahme für die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft in der Türkei:

  • Vollständige Rückgabe des beschlagnahmten und geraubten Bodeneigentums
  • Offizielle Rücknahme des Verbots von Aramäischunterricht
  • Genehmigung zur Ausbildung von Geistlichen

Erklärungen dritter Organisationen:


Aramäischer Geistlicher wurde heute Nachmittag in der Südosttürkei entführt!

Heute, am 28. November 2007 um 18:00 Uhr, hat die Junge Aramäische Union Informationen von der Pressestelle des aramäischen Fernsehsenders Suryoyo Sat erhalten. Darin wird gesagt, dass der Syrisch-Orthodoxe Mönch Daniel Savci aus der Region Turabdin entführt wurde und dass die Entführer eine Summe von 300 000 als Lösegeld verlangen. Ein Ultimatum, bis wann das Lösegeld ausgezahlt werden soll, ist noch nicht bekannt. Sollte das Lösegeld nicht ausgezahlt werden, so – laut Drohung der Entführer wird man den Mönch Daniel Savci ermorden.

Da die Syrisch-Orthodoxe Kirche hoch verschuldet ist, kann so eine derartige Summe unmöglich aufgetrieben werden. Daher wird die Europäischen Union, die UNO und die türkischen Regierung gebeten, sich für die Freilassung des Mönchs Daniel Savci ein zu setzten.

Laut den Informationen wurde der Syrisch-Orthodoxe Abt des Klosters St. Jakob in Salah Daniel Savci (43) heute Mittag gegen 15 Uhr in Midyat (Südosttürkei) von einer bislang unbekannten bewaffneten Gruppe entführt. Der Abt war gerade mit seinem Auto auf dem Weg zum Kloster, als er von der Gruppe angehalten wurde. Über sein Handy forderten die Entführer 300.000 Lösegeld von den Mönchen des Klosters Deir Zafaran.

Der Syrisch-Orthodoxe Metropolit von Tur Abdin, Samuel Aktas; hat zusammen mit dem Subgouverneur von Midyat und der Polizei unmittelbar danach Ermittlungen eingeleitet. Jedoch fehlt bislang jede Spur von dem Geistlichen.

In der Vergangenheit wurden mehrmals Aramäer entführt, u.a. der Pfarrer von Miden, Melke Tok am 04.02.2004, und davor der Religionslehrer Lahdo Barinc aus demselben Dorf.

Radikal-islamische Terrororganisationen in der Türkei nutzen nun die gleiche Strategie wie im Irak, wo tagtäglich Aramäer entführt werden und entsprechend hohe Lösegelder gefordert werden.

Hinter dieser Tat könnten politische Interessen stecken, wie es des Öfteren in der Türkei vorkommt, wie beispielsweise im PKK-Konflikt.

Bei den radikal-islamischen Terrororganisationen handelt es sich um so genannte Hisbollahs, sogenannte Dorfschützer, die in der Vergangenheit für die türkische Regierung arbeiteten.

2002 sollte diese Gruppe von dem türkischen Militär entwaffnet werden, schlug aber fehl.

Seitdem nehmen die Verbrechen kein Ende in der Südosttürkei.

Wir appellieren an die Menschenrechtsorganisationen und an die Europäischen Mitgliedsstaaten, sich für die Freilassung von Mönch Daniel Savci ein zu setzten.Vor allem aber geht dieser Appell an die türkische Regierung.

Um Mitglied in der EU zu werden müssen Menschenrechte geachtet und die damit zusammenhängende Religionsfreiheit gewährt werden.

Den Minderheiten muss Schutz gegeben werden.

In einem modernen Staat dürfen derartige Vergehen nicht stattfinden und müssen in der Zukunft verhindert werden, sei es durch Polizei oder Militär.

Unsere Forderungen:

  1. Sich für die Freilassung von Mönch Daniel Savci einzusetzen!
  2. Die Türkische Regierung muss Kontakt zu den Entführern aufbauen!
  3. Die EU und die Türkische Regierung müssen nach einer Lösung für die Freilassung von Mönch Daniel Savci suchen!

Hochachtungsvoll
Junge Aramäische Union
Der Vorstand

Deutschland, 28.11.2007


GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
PRESSEMITTEILUNG   Göttingen den 29.11.2007

Syrisch-orthodoxer Abt in der Türkei entführt Keine Zukunft für das Christentum in der Türkei – Europas Institutionen um Schutz gebeten

Die Verschleppung des syrisch-orthodoxen Abtes des Klosters St. Jakob, Daniel Savci (43), am Mittwoch im Südosten der Türkei erfüllt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen mit großer Sorge. „Die Entwicklung, dass auf die wenigen geistlichen Würdenträger der christlichen Kirchen in der Türkei in gerade in jüngster Vergangenheit immer wieder gezielt Mordanschläge, Bombenattentate oder Überfälle verübt und einige von ihnen Opfer von Entführungen wurden, erschüttert uns nicht nur in jedem Einzelfall, sondern sie ist auch ein Alarmzeichen für die Zukunft der wenigen noch in der Türkei ansässigen Christen“, erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Donnerstag in Göttingen. „Als Menschenrechtorganisation, die sich für die Rechte der Muslime in Deutschland einsetzt, beklagen wir die jahrzehntelange und bis heute andauernde Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung der christlichen Religionsgemeinschaften in der Türkei. Es ist skurril, dass die Türkei international als säkularer Staat bezeichnet wird, wenn Christen dort bekämpft werden und der sunnitische Islam als politisches Instrument missbraucht wird.“

Die GfbV wird sich heute an die Europäische Kommission, die Außenministerien aller EU-Staaten, die Fraktionen des Europaparlaments sowie den Europarat wenden mit dem dringenden Appell, eine gemeinsame Initiative in Ankara für den Schutz der christlichen Bevölkerung und die Durchsetzung ihres Rechtsstatus nach europäischem Vorbild zu unternehmen.

Aufgrund ihrer Verfolgung und Bedrohung ist der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung der Türkei von 25 % im Jahr 1912 auf heute nur noch etwa 0,2 % gefallen. Ihre Zahl wird auf höchstens noch 125.000 geschätzt. Ihre Kirchen haben keinen eigenen Rechtsstatus, d.h. sie existieren vor dem türkischen Gesetz nicht als eigenständige Körperschaften und sind so auch nicht rechtsfähig. Der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche, Oberhaupt und höchster geistlicher Würdenträger von 300 Millionen Menschen weltweit, Bartholomäus I., darf seinen Titel Ökumenischer Patriarch in der Türkei nicht tragen. Seit 1970 dürfen die christlichen Kirchen dort keinen Priesternachwuchs mehr ausbilden. Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für armenische und griechisch-orthodoxe Geistliche nichttürkischer Staatszugehörigkeit werden grundsätzlich nicht erteilt. Auch andere ausländische Priester können die türkische Staatsbürgerschaft nicht erwerben und müssen eine tägliche Aufenthaltstaxe zahlen. Die Zahl der kirchlichen Immobilien ist seit den 30-er Jahren von 4000 auch 460 gesunken, kirchlicher Besitz wird häufig enteignet und kann nur in Ausnahmefällen neu erworben werden.

Als besonders bedenklich bezeichnete Zülch die Instrumentalisierung des sunnitischen Islams durch den türkischen Staat seit der Zeit Kemal Atatürks. Anhänger der schiitischen Glaubensrichtung seien zahlreichen Repressionen ausgesetzt. Das Präsidium für Religionsangelegenheiten in Ankara, Diyanet Isleri Baskanligi, steuere den „sunnitischen Staatsislam“ unter anderem durch die Führung der Islamausbildung und die Bestimmung des Inhalts der Freitagspredigten in türkisch-sunnitischen Moschen europaweit.