Berlin, den 06. Oktober. – Der Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des Europäischen Parlaments verabschiedete einstimmig einen von der Niederländerin Ria Oomen-Ruijten verfassten Entschließungsantrag zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei.

Form und Inhalt des Antrags sind erkennbar von dem Bemühen um Ausgewogenheit und Unterstützung der gegenwärtigen islamischen Regierungspartei AKP geprägt. Das Europäische Parlament „beglückwünscht die Türkei dazu, dass sie freie und faire Wahlen abgehalten hat“, worin der Beschluss eine Voraussetzung für die Umwandlung des Landes in eine stabile Demokratie erblickt. Nach einem Jahr der gesteigerten antichristlichen Gewalt in der Türkei muten allerdings die Zurückhaltung, mit der das Europäische Parlament seine Monita vorträgt, befremdlich an. Zwar verurteilt auch das Europäische Parlament „schärfstens“ die Morde an Hrant Dink und den drei evangelischen Christen in Malatya, doch schon die Ausführungen zum Strafrechtsparagraphen 301 (Punkt F.11 des Beschlusses) fallen dermaßen verquast aus, dass man erst nach mehrfacher Lektüre versteht, dass auch das Europäische Parlament die ersatzlose Streichung des Gesinnungsparagraphen für notwendig erachtet – ebenso wie „amnesty international“, der Internationale P.E.N. und zahlreiche andere Menschenrechtsorganisationen und Verbände.

Zwar rügt auch das EP, dass der rechtliche Status religiöser Minderheiten weiterhin ungeklärt ist, doch in der nur 5 ½ Seiten knappen Beschlussvorlage werden längst nicht alle krassen türkischen Versäumnisse im Bereich der Religionsausübung und –freiheit überhaupt erwähnt. Völlig unerwähnt bleibt beispielsweise das seit zehn Jahren anhaltende Verbot von Aramäisch als Unterrichtssprache, das der damalige Gouverneur von Mardin, Fikret Güven, am 6. Oktober 1997 in seiner Funktion als Leiter der Sicherheitsbehörde per Erlass verbot. Die Gegner des Aramäischen sehen durch die Lehre der Sprache Jesu die türkische Identität bedroht. Zu erinnern wäre auch daran, dass seit 37 Jahren dem Armenisch-Apostolischen Patriarchat und seit 36 Jahren dem Ökumenischen Patriarchat die Ausbildung von Priesternachwuchs verboten ist, bei gleichzeitigem Verbot, Priester nicht-türkischer Staatszugehörigkeit zu beschäftigen.

Durch europäisches Wegsehen oder Nichterwähnung werden sich die türkischen Demokratisierungsdefizite nicht von selbst aufheben. In diesem Zusammenhang erachten wir es auch für sinnlos, ja kontraproduktiv, auf die primär von der Türkei verschuldeten Schwierigkeiten in den Außenbeziehungen zu Armenien und der Türkei mit dem bloßen Appell zu reagieren, die Türkei und Armenien bzw. die Türkei und Zypern mögen einen „Prozess der Versöhnung einleiten“ bzw. „eine konstruktive Haltung zugunsten einer umfassenden Lösung innerhalb des UN-Rahmens auf der Grundlage der Prinzipien, auf die die EU sich stützt“, einnehmen. In beiden Fällen wird das Ungleichgewicht der Kräfte verkannt. Die Türkei hält seit 33 Jahren 40 Prozent der Insel Zypern militärisch besetzt und übt seit 1993, gemeinsam mit Aserbaidschan, eine völkerrechtswidrige Blockade der Landwege gegen Armenien aus. Das EP scheint diese Situation resignierend hinzunehmen, denn es appelliert nur noch müde an dievon Besatzung und Blockade Betroffenen, sich „konstruktiv“ zu verhalten.

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