Der Minister des Auswärtigen
Herr Dr. Guido Westerwelle
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Betr.: Position der Bundesregierung zur rechtswidrigen Auslieferung des gerichtlich verurteilten Mörders Ramil Safarow durch Ungarn an Aserbaidschan (31.08.2012)
Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,
am 19. Februar 2004 ermordete der aserbaidschanische Staatszugehörige Ramil Safarow während eines Englischkurses im Rahmen der NATO-Veranstaltung „Partnerschaft für Frieden“ in Budapest den Kursusteilnehmer Gurgen Margarjan (armenischer Staatszugehöriger) mit 16 Axtschlägen im Schlaf; den Mord an einem zweiten Armenier verhinderte nur der Umstand, dass dieser aufgewacht war. Die Tat war ausschließlich durch ethnischen Hass motiviert. Safarow bezeichnete sich als „aserbaidschanischen Soldaten“, dessen Aufgabe die Tötung von Armeniern sei.
Die ungarische Polizei qualifizierte die Tat als „besonders heimtückisch“. Safarow wurde von einem ungarischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Heimatstaat, wo er umgehend als patriotisches Vorbild und Volksheld gefeiert wird, hat sich seit Jahren um seine Überstellung nach Aserbaidschan bemüht. Die ungarischen Justizbehörden lehnten bisher solche Anträge mit der Begründung ab, dass nicht gesichert sei, dass der Verurteilte seine Haft vollumfänglich absitzt. Obwohl Safarow weiterhin keine Reue für seine Tat zeigte, wurde aber dieser berechtigte Vorbehalt inzwischen aufgegeben und der Axtmörder von Budapest am 31.08. nach Aserbaidschan ausgeflogen; noch im Flugzeug soll er von seiner Beförderung vom Leutnant zum Major, seiner Begnadigung durch Staatspräsident Alijew und seiner Haftentschädigung erfahren haben. Bei seiner Ankunft in Aserbaidschan wurde er von einer großen Menschenmenge umjubelt.
Ungarischen Medien zufolge ist der Gesinnungswandel, der zur Auslieferung dieses Mörders geführt hat, auf den Aufkauf ungarischer Staatsobligationen im Wert von 3 Milliarden EURO zurückzuführen. Ein solcher Mörderfreikauf stellt unserer Meinung nach ein ungeheuerliches Beispiel der Käuflichkeit von Politikern dar, wie auch eine Missachtung der ungarischen Gerichtsbarkeit und der Unabhängigkeit der Judikative. Die Entscheidung Ungarns zur Freilassung Safarows hat umgehend und unmittelbar zur Destabilisierung im Südkaukasus geführt und die grundverkehrten politischen und menschenrechtlichen Signale gesetzt: dass nämlich selbst kapitale Hasstäter auf Freilassung zählen dürfen, falls sie staatliche Geldgeber finden.
Nachdem sich bereits Präsident Obama und die Ko-Vorsitzenden der „Minsker Gruppe“ der OSZE (siehe http://www.osce.org/mg/93343) das Vorgehen Ungarns bzw. Aserbaidschans scharf kritisiert haben, interessiert uns die offizielle Haltung der Bundesregierung zu diesem Vorfall. Insbesondere möchten wir wissen:
Wie bewertet die Bundesregierung das Verhalten der ungarischen und aserbaidschanischen Staatsführungen?
Was wird die Bundesregierung auf der Ebene direkter diplomatischer Beziehungen, der EU und der NATO unternehmen, um Ungarns Verstoß gegen internationale Rechtsgrundsätze zu ahnden?
Was wird die Bundesregierung auf der Ebene direkter diplomatischer Beziehungen, der Ebene der EU sowie der NATO unternehmen, um den bedenklichen Mörderkult der aserbaidchanischen Staatsführung zu verurteilen?
Unsere Menschenrechtsorganisation hat bereits 2004 vor der Botschaft Aserbaidschans gegen den die Tat Safarows protestiert und wird am 8. September 2012 gemeinsam mit dem Zentralrat der Armenier in Deutschland e.V. vor der ungarischen Botschaft Berlin eine Protest-Mahnwache durchführen.
Wir sehen darum Ihrer zeitnahen Antwort, die uns bei der Vorbereitung unserer Pressearbeit hilft, sehen wir sehr gern entgegen und bleiben
mit freundlichen Grüßen
Dr. Tessa Hofmann
Vorsitzende