Die sporadischen Äußerungen des türkischen Regierungschefs zu historischen und aktuellen Fällen von Völkermord zeigen Originalität, denn stets weichen seine Erkenntnisse von der Mehrheitsmeinung in Wissenschaft, Politik und Medien ab. So weiß Erdoğan dezidiert, dass es sich beim osmanischen Genozid an den Armeniern 1915 um keinen Völkermord gehandelt habe und es auch kein einziges Dokument gebe, das derartiges beweisen könne (Interview in Aquila, vgl. AGA-News vom 07.07. 2009). Echten Völkermord dagegen ortete R.T. Erdoğan in der Volksrepublik China beim repressiven Umgang mit der turksprachigen Volksgruppe der Ujguren in Xinjiang. Hingegen in Darfur, wo sudanesische Muslime schwarzafrikanische Muslime genozidal ermorden, könne es sich nicht um Genozid handeln. Denn, so Erdoğan, ein Muslim tut so etwas nicht.

Hintergrund der Behauptung ist der skandalöse Umstand, dass die Türkei dem „muslimischen“ Präsidenten des Sudan, Omar al-Bashir, auf einem Gipfeltreffen islamischer Nationen willkommen heißen will, obwohl der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen al-Bashir wegen Völkermordes im Süd- und Westsudan (Darfur) sowie in der Nuba-Region erlassen hat. Die EU hatte die Türkei am 06.11.09 aufgefordert, ihre Politik hinsichtlich al-Bashirs mit der Brüssels abzustimmen. Trotz der Unterstützung aus Ankara hat es al-Bashir allerdings nicht auf einen Versuch ankommen lassen, sondern sagte am 08.11. begründungslos seinen Flug nach Ankara ab.

Allein schon ein Blick in die eigene türkische Nationalgeschichte, so die Gesellschaft für bedrohte Völker in ihrer Pressemitteilung aus Anlass der absurden Behauptung Erdoğans, könne den türkischen Premier in seiner absurden Unschuldsvermutung widerlegen.

R.T. Erdoğan über Omar al-Bashir: Erdoğan: Muslim can never commit genocide

 

GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
PRESSEMITTEILUNG Göttingen, den 09.11.2009

Leider sind auch Muslime zum Völkermord fähig, Herr Erdogan!

Die Behauptung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Muslime könnten keinen Völkermord begehen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag als „absurd“ bezeichnet. Erdogan hatte es so gerechtfertigt, dass der mutmaßliche Massenmörder und sudanesische Präsident Omar al-Bashir in der Türkei willkommen sei. „Der türkische Ministerpräsident braucht sich nur die Geschichte seines eigenen Landes anzuschauen, um festzustellen, dass muslimische türkische Politiker 1915-1918 Genozid an bis zu 1,5 Millionen Armeniern und mehreren hunderttausend aramäischsprachigen Christen sowie Massenmord an hunderttausenden ostanatolischen Kurden sowie ionischen, thrakischen und pontischen Griechen verübten“, sagte der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch in Göttingen.

Sudans „muslimischer“ Präsident Bashir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl erlassen und der von seinem Gastland Türkei nach Den Haag ausgeliefert werden müsste, sei verantwortlich für Genozide an der schwarzafrikanischen Bevölkerung im Südsudan, den Nuba-Bergen und heute in Darfur. Dem ebenfalls „muslimischen“ Politiker Saddam Hussein wird die Vernichtung von bis zu 500.000 Kurden im Irak zu Last gelegt, unter denen sich auch Tausende assyro-chaldäische Christen und Yeziden befanden.

Dass „christliche“ Politiker im Laufe der Geschichte als Initiatoren oder Unterstützer für zahlreiche Genozide verantwortlich waren sei hinlänglich bekannt und werde zu Recht nicht bestritten. Zuletzt erlitten die bosnischen Muslime mitten in Europa dieses Schicksal. Tilman Zülch ist für Nachfragen erreichbar unter Tel. 0151 153 09 888.

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