Knapp fünf Jahre ist es her, dass der Deutsche Bundestag einstimmig seine Resolution „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibung und Massaker an den Armeniern 1915 – Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen“ verabschiedete. Aus Anlass des 95. Jahresgedenkens an den „im Osmanischen Reich an den Armeniern und anderen indigenen Christen (Aramäern/Assyrern, Griechen) verübten Völkermord“ stellt die Linksfraktion der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage elf kritische Fragen, davon die wichtigsten wohl am Schluss. Denn hier geht es um das auffällige Vermeidungsvokabular, das seinerzeit den Bundestagsbeschluss kennzeichnete und weit über armenische Kreise hinaus Stirnrunzeln auslöste. Auch die Linksfraktion rügt: „Insbesondere der Satz: ‚Zahlreiche unabhängige Historiker, Parlamente und internationale Organisationen bezeichnen die Vertreibung und Vernichtung der Armenier als Völkermord“ (Bundestagsdrucksache 15/5689) ist dahingehend geeignet Missverständnisse hervorzurufen, dass der Deutsche Bundestag dies offenbar anders sieht, indem er selbst es unterlässt, die Massaker explizit als Völkermord zu bewerten. Vor diesem Hintergrund besteht deutlicher Klärungsbedarf über die Haltung der Bundesregierung.“

Die Linksfraktion fragt darum ausdrücklich, ob die Bundesregierung die Auffassung vertritt, „dass es sich bei den Massakern an den Armeniern 1915/16 eindeutig um einen Völkermord im Sinne der UN-Konvention von 1948n handelt?

a)Falls ja, hat sie ihre Sichtweise in der Vergangenheit auch der türkischen Regierung expressiv verbis vermittelt?
b)Falls nein, wie ist die Rechtsauffassung der Bundesregierung in dieser Frage und wie begründet sie diese?“

Da darf man auf die Antwort äußerst gespannt sein. Eine juristisch präzise, explizite Qualifizierung würde unter anderem auch all jenen in der Türkei und ihrer Diaspora helfen, die sich der Durchsetzung der historischen Wahrheit verpflichtet fühlen. Es kann nicht angehen, dass der deutsche Gesetzgeber und seine ausführenden Organe von der türkischen Zivilgesellschaft erwarten, wozu sie selbst nicht bereit sind.

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