Am 20. September hatten wir, gemeinsam mit dem Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V., den Bundestagspräsidenten gebeten, zur gegenwärtigen Bedeutung von Punkt II der Bundestagsresolution vom 2. Juni 2016 Stellung zu nehmen (vgl. https://www.aga-online.org/berlin-20-09-2016-bitte-um-klarstellung-aga-bdav-schreiben-an-bundestagspraesidenten-prof-norbert-lammert/).

In diesem Abschnitt geht es um geschichtspolitisch relevanten Handlungsanweisungen des deutschen Gesetzgebers an die Exekutive, also die Bundesregierung. Hintergrund für unsere Anfrage war die Erklärung des Regierungssprechers Seibt vom 2. September 2016, in der Seibt eine Rechtsverbindlichkeit der Bundestagsresolution dezidiert bestritten hatte.

Für den Bundestagspräsidenten antwortete am 27.09.2016 dessen Referent für Texte und Antworten (PuK3), Dr. Hilmar Sack. Er sieht, zusammen mit Bundestagspräsident Prof. Norbert Lammert, in Punkt II der Resolution weiterhin einen Beitrag „der Unterstützung der vielen mutigen Türken und Kurden, die sich zusammen mit Armeniern bereits seit Jahren um eine ehrliche Aufarbeitung dieses finsteren Kapitels der gemeinsamen Geschichte bemühen“. Unsere Frage nach der konkreten Umsetzung der Resolution in der deutschen schulischen und außerschulischen Unterrichtung über Völkermord blieb leider unbeantwortet.

Vollständiger Wortlaut des Antwortschreibens aus dem Referat Texte und Antworten des Bundestagspräsidenten:


Sehr geehrte Frau Professorin Hofmann,

der Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, dankt Ihnen für Ihr Schreiben, das am 20. September 2016 in seinem Büro eingegangen ist. Er bittet Sie um Ihr Verständnis, dass er Ihnen wegen der Fülle an Zuschriften, die ihn täglich erreichen, nicht persönlich antworten kann. Er hat deshalb mich gebeten, Ihnen zu schreiben.

In einer nahezu einstimmig angenommenen Stellungnahme haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 2. Juni 2016 die Bewertung der Massaker an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als Völkermord anerkannt. Auch Mitglieder der Bundesregierung haben als Abgeordnete der Resolution zugestimmt. Dies ist umso bemerkenswerter als die Bundesregierung mit Rücksicht auf erwartbare Reaktionen in betroffenen Ländern noch im vergangenen Jahr, zum 100. Jahrestag des Völkermordes, mit Erfolg nachdrücklich dafür geworben hatte, eine solche Resolution nicht zu verabschieden.

Die Erklärungen des Regierungssprechers beziehen sich allein auf die rechtliche, nicht die politische Einordnung der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages. Die Bundesregierung ist nach eigenem Bekunden eben nicht von dieser abgerückt, sondern hat entsprechende Pressemeldungen ausdrücklich zurückgewiesen. Insoweit besteht zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag kein Dissens.

Ein Parlament ist, wie der Bundestagspräsident wiederholt betont hat, keine Historikerkommission und kein Gericht, der Bundestag darf und will aber unbequemen Fragen und Antworten nicht aus dem Weg gehen – dies gilt besonders angesichts der Mitschuld, die das Deutsche Reich beim Völkermord an den Armeniern auf sich geladen hat. Herr Professor Lammert sieht es gerade angesichts der deutschen Geschichte als unsere originäre Aufgabe an, durch unsere eigenen Erfahrungen andere zu ermutigen, sich ihrer Geschichte zu stellen. Er ist dabei der Ansicht, dass sich diese Auseinandersetzung nicht auf einen Begriff reduzieren lässt, schon gar nicht dürfe sie sich darin erschöpfen. Die Resolution des Bundestages dient – insbesondere mit den in Teil II benannten Forderungen – auch und gerade der Unterstützung der vielen mutigen Türken und Kurden, die sich zusammen mit Armeniern bereits seit Jahren um eine ehrliche Aufarbeitung dieses finsteren Kapitels der gemeinsamen Geschichte bemühen. Herr Professor Lammert ist überzeugt davon, dass die verabschiedete Resolution hier ihren Beitrag leisten wird.

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag

Dr. Hilmar Sack

Presse und Kommunikation
Referat Texte, Anfragen (PuK 3)