Lewon Dschawachjan

Lewon Dschawachjan

Howik Afjan

Die (selbst)kritische Aufarbeitung von Konflikten und ihren Ursachen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Friedensbildung. Im (post)sowjetischen Raum waren es nicht zufällig Autor:innen, die diese herausfordernde Aufgabe leisteten. Denn unter dem Deckmantel der Fiktionalität konnten sie mehr und offener aussprechen und erörtern, als Journalist:innen.

Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt in und um Berg-Karabach war von schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begleitet, die auf beiden Seiten in der Regel nur aus der Opferperspektive wahrgenommen wurden. Die Ausblendung der Empathie, der Wahrnehmung des Leids, das dem „Feind“ jeweils zugefügt wurde, führt jedoch im Endergebnis zum Verlust der eigenen Menschlichkeit. Oft war der „Feind“ der unmittelbare Nachbar, der im Verlauf von Kriegshandlungen vertrieben wurde oder flüchtete. Insbesondere in Aserbaidschan wurde das Leid der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge instrumentalisiert, um Vergeltung und Rache zu schüren.

Akram/ Ekrem Aylisli

Der armenische Autor Lewon Dschawachjan hat sich als erster in seiner Kurzgeschichte Kirwa (2008) mit dem verhängnisvollen Hass auf das jeweilige Nachbarvolk auseinandergesetzt, gefolgt von dem prominenten aserbaidschanischen Schriftsteller Akram Aylisli und dessen 2006/7 verfassten, aber erst im Dezember 2012 veröffentlichen „Roman-Requiem“ Steinträume. Selbst die Bücherverbrennungen in Baku und Aylislis Heimatstadt Aylis – Armenisch Agulis – vermochten den mutigen Autor nicht zu brechen. Noch 2018 bekannte er sich öffentlich zur Freundschaft mit Armeniern: „Die Freundschaft zwischen Armeniern und Aserbaidschanern ist für mich keine hochtrabende Rhetorik, sondern eine äußerst wichtige Grundsatzfrage. Ich schätze diese Freundschaft aufrichtig und betrachte sie als ein historisch wichtiges Kulturerbe meines Volkes. Für mich ist diese Freundschaft viel wertvoller als alle materiellen Segnungen, die mein Land in all den Jahren seiner Unabhängigkeit erreicht hat. Seit langem empfinde ich die gegenwärtige Feindschaft und Entfremdung, die kurzsichtige Politiker zwischen uns gesät haben, als meine persönliche Tragödie.“

2020 folgte  mit großem zeitlichen Abstand Howik Afjans Roman Rot ist der Krieg.

Mit der Lesung (durch Bea Ehlers Kerbekian und Tessa Hofmann) aus den Werken Dschawachjans, Aylislis und Afjans sollen die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der literarischen Aufarbeitung von Konfliktursachen veranschaulicht werden. Die Literaturwissenschaftlerin und Armenologin Dr. phil. Tessa Hofmann, die dieser Veranstaltung konzipiert hat, stellt die Autoren sowie ihre Romane vor.

Veranstaltungsort: Haus der Demokratie und Menschenrechte,
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Robert-Havemann-Saal