Der kurdische Dachverband YEK-KOM begründet seinen Protest gegen die Ehrung wesentlich damit, dass Erdogan kein Demokrat bzw. ein Kriegsverbrecher sei, gegen den bereits 2011 bei der Bundesanwaltschaft Anzeige wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erstattet wurde. Der Verband weist auch auf die erhebliche Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit unter Erdogans Regime hin.
Auch die Junge Aramäische Union ruft zur Protestdemonstration auf (Treffpunkt: Am Hauptbahnhof in Bochum ab 15:00 Uhr)
Aufruf der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland zur Demonstration am 17. März 2012:
An alle Demokratinnen und Demokraten,
an alle Vertreterinnen und Vertreter der Menschlichkeit,
wie sicher bekannt ist, gibt es bezüglich der Verleihung des Steiger Award an den Ministerpräsidenten der Türkei R.T. Erdogan heftigen Protest von verschiedensten Seiten.
(…) Wir rufen im Namen von YEK-KOM, alle deutschen und nicht-deutschen demokratischen Kräfte wie Menschenrechtsaktivist/Innen, Armenier, Eziden, Aleviten, Assyrier, Kurd/Innen dazu auf, an unserem Protest aktiv mitzuwirken.
Gerne würden wir Sie an unserer Seite gegen diese nicht akzeptable Verleihung begrüßen und sehen. Bringt eure Fahnen und Transparente mit und zeigt, dass Kriegsverbrecher nicht als „normale“ Staatsvertreter/Innen behandelt werden dürfen.
Datum: 17.03.2012
Beginn: 16 Uhr
Treffpunkt: Hauptbahnhof Bochum
Solidarische Grüße
YEK-KOM (Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland)
Protest gegen Preis für Erdogan
Erdogan ist ein Kriegsverbrecher und kein Demokrat
Am 17. März soll der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in der Bochumer Jahrhunderthalle mit dem renommierten Steiger Award ausgezeichnet werden. „Seit Jahren bemüht sich S.E. Premierminister Recep Tayyip Erdogan um einen demokratischen Wandel in seinem Land“, heißt es in der Begründung der Preisvergabe. Tatsächlich fand unter der Regierung von Erdogans AKP keine Demokratisierung der Türkei, sondern lediglich der Wandel von einer Militärdiktatur zu einem autoritären Polizeistaat statt. Tausende politische Gefangene So hat sich die Zahl politischer Gefangener unter Erdogans AKP-Regierung verdoppelt. Zur Zeit befinden sich rund 6000 Politikerinnen und Politiker aus legalen prokurdischen Parteien und zivilgesellschaftlich Aktive in Untersuchungshaft, darunter 16 Bürgermeister, sechs Parlamentsabgeordnete, hunderte Kommunalpolitiker, Gewerkschafter, Anwälte, Menschenrechtsaktivisten und Medienvertreter. Als „Terrorismus“ gilt in Erdogans Türkei bereits der Einsatz für kommunale Demokratie, die Forderung nach kurdischsprachigen Schulunterricht und das Eintreten für Geschlechtergerechtigkeit.
Folter und Vergewaltigung von Kindern
Tausende Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren befinden sich aufgrund von Steinwürfen auf Demonstrationen zu langjährigen Haftstrafen als „Terroristen“ verurteilt im Gefängnis. Anfang März wurde bekannt, dass Kinder im Jugendgefängnis bei Adana vom Wachpersonal gefoltert und von erwachsenen Mitgefangenen, darunter Mördern und Sexualstraftätern, vergewaltigt wurden. Die junge Reporterin, die diese von der Regierung vertuschten Vorfälle aufdeckte, wurde vergangene Woche selber als „Terroristin“ verhaftet.
Pressefreiheit hinter Gittern
So wie sie befinden sich über 100 Journalisten und Schriftsteller zurzeit in Haft. Auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ die Türkei erneut um zehn Plätze herabgestuft auf Platz 148 von 178 Ländern. „Statt der versprochenen Reformen startete das Justizsystem eine Welle von Verhaftungen von Journalisten, wie es sie das letzte Mal bei der Militärdiktatur gegeben hat“, heißt es im Bericht der Reporter ohne Grenzen. Bomben auf Zivilisten
Anstatt den Dialog mit der kurdischen Seite zur Beendigung des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts mit zehntausenden Toten zu suchen, setzt Erdogan allein auf eine militärische Lösung. Bei völkerrechtswidrigen Luftangriffen auf Ziele im Nordirak werden immer wieder Zivilisten geschädigt. Zum Jahresende 2011 wurden so 34 Dorfbewohner im Grenzgebiet bei Uludere durch einen Luftangriff getötet. Letzten November wurde von Anwälten, Politikern und Künstlern nach dem Völkerstrafgesetzbuch Strafanzeige vor dem Bundesgerichtshof gegen Erdogan wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestellt. Aufgelistet wurden extralegale Hinrichtungen, Totenschändung, Chemiewaffeneinsätze und militärische Anschläge auf Zivilisten in den kurdischen Gebieten der Türkei. Die Bundesanwaltschaft weigerte sich Anfang Februar unter Berufung auf die angebliche Immunität Erdogans, sich mit der Anzeige zu befassen.
Lupenreine Demokraten
In der Begründung für die Preisvergabe an Erdogan wird neben Erdogans angeblichem Eintreten für eine Demokratisierung die „entscheidende strategische Bedeutung“ der Türkei im Nahen Osten und ihr „wirtschaftliches Potential“ genannt. Passenderweise soll Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder die Laudatio auf Erdogan halten. Mit Demokratie kennt sich der Gasprom-Lobbyist Schröder ja aus, gerade erst erklärte er erneut den russischen Autokraten Wladimir Putin zu einem „lupenreinen Demokraten“. Profite vor Menschenrechten?
Die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland Yek-Kom vertritt einen Großteil der hier lebenden, rund eine Million kurdischstämmiger Bürgerinnen und Bürger. Wir werden nicht hinnehmen, dass im Namen der „gelebten deutsch-türkischen Freundschaft“ die Menschenrechte unseres Volkes in der Türkei/Kurdistan den Profiten des deutschen Großkapitals und der Rüstungsindustrie geopfert werden.
Wir fordern Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf, der Preisverleihung fern zu bleiben und auf ein Grußwort zu verzichten. Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, eine im vergangenen Jahr gegen Erdogan eingereichte Anzeige wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wieder aufzunehmen. Für Kriegsverbrechen gibt es keine Immunität!
Mit freundlichen Grüßen
Yüksel Koc
YEK-KOM Vorsitzender
Düsseldorf, den 12.03.2012