Der Verein der Völkermordgegner e.V. (SKD) verbindet die Erinnerung an die Ermordung des armenischen Journalisten und Menschenrechtlers Hrant Dink vor 14 Jahren mit einer umfassenden Bewertung der Menschen- und Minderheitenrechte in der Türkei in diesem Zeitraum:

Gedenken an die Ermordung Hrant Dinks vor 14 Jahren

Obwohl seit dem Mord an Hrant Dink, der gleichzeitig ein Angriff auf das armenische Volk war, 14 Jahre vergangen sind, sucht die türkische Justiz, nun nach Abhilfe. Sie konnte den Erwartungen des öffentlichen Gewissens und des armenischen Volkes nach GERECHTIGKEIT nicht entsprechen, will aber die Akte mit vollendeten Tatsachen schließen. Die dazwischen liegende 14-jährige Periode zeigt, dass sich im Hinblick auf Menschen- und Freiheitsrechte Schritt für Schritt alles verschlechtert hat und das Recht mittlerweile mit Füßen getreten und die individuellen Freiheiten aufgehoben wurden.

Der Staatsapparat, der seine Existenz auf die Feindseligkeit gegenüber den Armeniern stützt, will den Mord an Hrant Dink vertuschen, so wie er es in allen von ihm bislang begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit getan hat. Mit dieser Haltung will der Staat unterstreichen, dass jeder Armenier, der versucht, die Tabus der dunklen Vergangenheit zu brechen, das gleiche Schicksal erleiden wird. Er möchte auch, dass dieser Mord diejenigen einschüchtert, die sich Hrants Überzeugungskraft mit Bewunderung und Sympathie nähern. Der Staat möchte seine Bereitschaft zeigen, bei Bedarf neue Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, um die des Genozids schuldige kriminelle Machenschaft am Leben zu erhalten. Er möchte die « Gesellschaft der Angst », die vom Strudel der rassistischen Unwissenheit der muslimischen Glaubensgemeinschaft (Ummah) geblendet wird, nicht nur neu einschwören, sondern auch die finsteren Löcher der Dunkelheit von 1915, die Hrant öffnete, hastig schließen.

Hrants Vision zielte darauf ab, die Gesellschaft der Türkei aus dieser Situation zu herauszuführen. Hrant wollte einerseits die Konfrontation der Gesellschaft mit ihrer eigenen Geschichte vorantreiben, die von der Angst geplagt wird, den Völkerfriedhof zu verlieren, den sie als ihre Heimat ansieht. Andererseits wollte er die Opfer (Armenier, Griechen, Assyrer, Jesiden), deren Wunde immer noch blutet, in die Lage versetzen, die Wunden des Genozids zu heilen, das traumatische Leben hinter sich zu lassen und auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und Respekts zu einem normalen Leben zurückzukehren. Hrant wollte, dass dem Leiden der Völker auf diesem Boden ein Ende gesetzt wird. Er wollte, dass die Höllenangst, die Völker wie Kurden, Juden, Christen, Aleviten, Sinti und Roma oder andere wegen ihrer Zugehörigkeit erleiden müssen, ein Ende nimmt. Mit seinen konkreten Gedanken und Vorschlägen zeigte Hrant auf der Grundlage von GERECHTIGKEIT, was zu tun ist und welche konkreten Schritte für einen ehrenvollen Frieden zwischen Tätern und Opfern zu unternehmen sind. Gerade aus diesem Grund sah der Staat Hrants Existenz und seine Fähigkeit, die Gesellschaft zu beeinflussen, als große Gefahr an. Der Umstand, dass seine Ermordung nicht vollständig aufgeklärt werden soll, unterstreicht, dass sich das Regime jeglichen Veränderungen verschließt. Dies zeigt darüber hinaus, dass dasselbe Regime die Täterdeckt, um den Status quo zu bewahren und eben nicht auf der Basis von GERECHTIGKEIT an der Seite der Opfer zu stehen. In dieser Hinsicht wird die Gerichtsentscheidung im Fall Hrant Dink sowohl für den Staat als auch für das öffentliche Gewissen als Lackmuspapier dienen, da sie die Frage beantworten wird, wer für die GERECHTIGKEIT und wer auf der Seite der Mörder ist.

Während des Zeitraums von 14 Jahren zeigte der Staat keine Gnade gegenüber den Völkern, unterdrückten Klassen und Schichten, die sich der erzwungenen Assimilation widersetzten. Der Staat, der Hrant Dink ermordete, zerstörte kurdische Siedlungen und zeigte, dass die Reaktion der Menschen, die sich der erzwungenen Assimilation widersetzten, mit Massakern beantwortet wurden. Das Massaker von Suruç bildete eine Antwort auf diejenigen, die eine friedliche Lösung für die kurdische nationale Frage forderten. Das Massaker von Roboski war eine Einschüchterung des Kurden, unabhängig von ihrer Beziehung zum Staat. Das Massaker in der Nähe des Bahnhof von Ankara war die Antwort des Staates auf die Forderungen von Arbeitern, die an der Grenze des Hungers leben und keine gesicherte Zukunft besitzen. Der 14-jährige Prozess hat gezeigt, dass alle oberflächlichen „Verbesserungserwartungen“ weiterhin kläglich enttäuscht werden, wenn nicht das « Risiko » gewagt wird, die Finsternis des Genozids von 1915 anzuerkennen und entsprechende Handlungsschritte einzuleiten. Der nicht anerkannte und nicht aufgearbeitete Genozid lastet weiterhin wie ein schwerer Schatten auf dem Frieden, der Demokratie sowie unseren Rechten und Freiheiten. Der Völkermord, der nicht aufgearbeitet wurde, ist wie ein Bumerang in die Gesellschaft zurückgekehrt.

Der Staat hat den Menschen, die Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechte fordern, gezeigt, dass er „wichtigere“ Zieleverfolgt. Das Eroberungsprojekt vom östlichen Mittelmeer bis nach Libyen, die Gefahr einer Invasion der griechischen Inseln, die Besetzung Nordsyriens mit einem Angriff auf die gemeinsame Hoffnung auf Rettung des kurdischen Volkes und der übrigen Völker in der Region, der Angriff auf die Autonome Region Rojava, der seit langem geplante Angriffskrieg auf Berg-Karabach gegen das armenische Volk entsprechen einer Wiederbelebung des Traumes von einem Turan-Reich, der vor 106 Jahren in Sarıkamış im Schnee begraben werden musste. In dieser Zeit bot sich der ehemalige Ergenekon-Verdächtige, der 26. Generalstabschef İlker Başbuğ, als Übersetzer für die Absichten des türkischen Staates an: „In der Rede, die ich am 14. April 2016 an der Atatürk-Universität zu Erzurum hielt, sagte ich, ich hätte einen Traum. ‘Mein größter Traum ist, dass Aserbaidschan und die Türkei einen gemeinsamen Staat bilden’, sagte ich. Ja, davon träume ich immer noch. Aber erlauben die Realpolitik bzw. die realen Tatsachen dies? Das glaube ich nicht. Trotzdem ist es schön, große Träume zu haben.“ (Zeitung Sözcü vom 23. Oktober 2020, İlker Başbuğ im Interview mit Uğur Dündar)

Generalstabschef İlker Başbuğ
Generalstabschef İlker Başbuğ

Die Herrschaftstradition, deren Vision es war, Armenien vollständig zu beseitigen, tötete auch Hrant. Die Hand des Täters wurde durch den ungestraften Völkermord und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestärkt. Die „Stimme ihres Besitzers“ hat der Welt nicht nur klar ihr beabsichtigtes Ziel erklärt: Armenien von der Landkarte zu streichen, um im Gegenzug die Kolonie Aserbaidschan zu erhalten! Denn eine Vereinigung Aserbaidschans mit der Türkei zu einem einzigen Staat ist anders nicht möglich.

Die Großmächte und die internationale Gemeinschaft, die seit 150 Jahren nicht gezögert haben, die Toten für ihre Interessen mit Füßen zu treten, verrieten die Opfer der Völkermorde und insbesondere das armenische Volk. Sie haben diese Völker dem blutigen kriminellen Strafapparat überlassen, und sind so zu Komplizen für dessen Verbrechen geworden. Nach den Geschehnissen vergossen sie Krokodilstränen. Später zögerten sie nicht, in dreister Weise zu erklären, dass die „Völkermordentscheidungen“, die ihre Parlamente erlassen haben, um die Empörung der Opfervölker zu beruhigen und die Reaktion der Öffentlichkeit zu mildern, die Türkische Republik in keinster Weise zur Rechenschaft ziehen, sie juristisch nicht binden und somit keinen Sanktionszweck enthalten. Deutschland als Komplize des Völkermordes von 1915 ist das anschaulichste Bespiel für diese skandalöse Haltung (siehe: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/steffen-seibert-armenien-resolution-nicht-rechtsverbindlich-a-1110643.html oder https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/armenien-resolution-im-bundestag-14418025.html ).

Gerechtigkeit für Hrant Dink!
GERECHTIGKEIT für 1,5 Millionen Völkermordopfer des armenischen Volkes!
Gerechtigkeit für die Opfer des Genozids vom 1915!
Gerechtigkeit für alle Opfer der türkischen Genozidmacht!

Verein der Völkermordgegner, SKD, Frankfurt, 19. Januar 2021

 

Verein der Völkermordgegner e.V. Frankfurt / Main
Soykırım Karşıtları Derneği (SKD); Kontakt : Ali Ertem, E-Mail:skd@gmx.net

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