Izmir, das antike, multikulturelle Smyrna, hat heute nur noch eine winzige griechisch-orthodoxe Gemeinde von etwa 300 Personen. Vor kurzem wurde in der dortigen orthodoxen Kirche (Heiliger Vukolos) von einem privaten Unternehmen eine Techno-Party veranstaltet. Sie war anscheinend von den Behörden genehmigt worden. Der Vorsteher der griechisch-orthodoxen Gemeinde hat die Party zum Anlass genommen und einen offenen Brief in Form einer Pressemitteilung veröffentlicht:
Pressemitteilung der griechisch-orthodoxen Gemeinschaft von Izmir
Unsere muslimischen Freunde, unsere jüdischen Freunde, unsere levantinischen Freunde, Izmirer, unsere regionalen und zentralen Verwalter, MERHABA. Wir wollten unbedingt mit dem Wort MERHABA beginnen, dem türkischen Wort, das in keiner anderen Sprache in ähnlicher Weise Gefühle, Klänge, Farben, Gerüche und Melodien beinhaltet. Erst sich im MERHABA treffen und dann unsere tiefe und unbeschreibliche Trauer, Verletzung und Schwermut miteinander teilen. Weil wir niemanden außer einander haben. Seit hunderten von Jahren leben wir zusammen in dieser geschichtsträchtigen Stadt. Wir handelten gegenseitig sowohl im Unrecht als auch im Recht. Wir haben den Preis unseres Unrechts bezahlt, den Lohn unseres Rechts erhalten. Wir haben gegenseitig gelernt uns zu respektieren. Mehrmals war es schwer, aber als Kinder dieser Stadt haben wir von Anfang an versucht, zusammen zu leben, ohne den Glauben daran zu verlieren.
Bei Hanuka-Kerzen, unter dem Weihnachtsbaum, zu den Ostereiern, in den Nächten des Ramazans haben wir den Menschen dieses Landes Ruhe und Frieden gewünscht. Jeder von uns hat, entsprechend seinem Glauben, Gott angerufen: beschütze uns, verweigere uns nicht Deine Barmherzigkeit.
Und heute nehmen wir, die sehr klein gewordene Bevölkerung der griechischen Kinder des alten Izmir Zuflucht in eure Wärme, um den tiefen Schmerz zu teilen.
Freunde, Brüder; in der Kirche des Heiligen Vukolos, einem Tempel unseres Glaubens, hat ein Unternehmen namens Gaia Project eine Party organisiert, es wurde Alkohol ausgeschenkt, getanzt. Party Snacks wurden so drapiert, dass sie die Figur Jesus hatten.
Wir finden keine Worte, um unsere Gefühle auszudrücken. Wir können den Kloß in unserer Kehle nicht herausbekommen und sprechen. Andererseits glauben wir, dass Sie uns verstehen, auch wenn wir nichts sagen können. Denn was wir heute erleben, unterscheidet sich nicht von den mannigfachen Schikanen, denen Angehörige verschiedener Religionen im Laufe der Geschichte ausgesetzt waren. Die Menschheit versucht immer noch zu lernen, das Heilige des anderen zu respektieren.
Brüder und Schwester, alle Religionen sind heilig. Die Orte aller Religionen sind heilig. Alle Propheten sind heilig. Wie mit dem Heiligen umzugehen ist, wird durch universelle Regeln bestimmt. Die 1886 erbaute Kirche des Heiligen Vukolos war im Laufe der Geschichte ein heiliger Ort, an dem Tausende von Menschen beteten, Zuflucht suchten, Gott grüßten und ihm dankten.
An ihren Wänden sind Spuren von Bitten und Gebeten zu erkennen. Ihre Ikonen rufen die Menschen seit Jahrhunderten zum Guten auf. Genau wie Moscheen und Synagogen ist unsere Kirche das Haus Gottes. Es ist die Heimat des Guten.
Wir sind fest davon überzeugt, dass die Bilder der abgehaltenen Party die Herzen aller Izmirer, auch aus anderen Religionen, erschüttern werden, denn als Christen würden uns solche Bilder in Moscheen und Synagogen sehr verletzen. Wir würden auch dieses Verhalten, dass Jesus gegenüber gezeigt wurde, nicht akzeptieren, wenn es Mohammed oder Moses gegenüber erbracht wäre. Wir dürfen es nicht. Andernfalls wird unser menschliches Dasein beschädigt. Andernfalls werden wir zu Barbaren.
Unsere lieben Brüder und Schwestern aus Izmir, diese Stadt, in der der Gebetsruf, die Glocke und der Chasan seit Jahrhunderten zum Gebet rufen, hat zum ersten Mal so ein Ereignis erlebt. Wir bitten Sie und die Verwaltungen der Stadt Izmir, die unsere Kirche als Kulturzentrum benutzt, um Hilfe, damit bei den Veranstaltungen in unserer Kirche und anderen Tempeln mehr Sensibilität für unsere religiöse Gefühle gezeigt wird und wir hoffen, dass wir dieser Unsensibilität nicht noch einmal ausgesetzt werden.
In Freundschaft, Liebe, Dankbarkeit und der Hoffnung auf ein Leben, in dem man immer respektvoll miteinander umgeht.
Im Namen der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde von Izmir
Yorgo Theodoridis
Vorsitzender