Der armenische Journalist und Menschenrechtler Hrant Dink starb, weil er als Bürger der Türkei gewagt hatte, tabuisierte Bereiche der Gründungsgeschichte der Republik Türkei anzusprechen, insbesondere den bis heute offiziell bestrittenen Genozid an Armeniern osmanischer Staatszugehörigkeit.
Zugleich gilt Hrant Dink auch als Integrationsfigur zwischen der muslimischen Mehrheit und den immer weiter schwindenden nicht-muslimischen Minderheiten der Türkei. Mit seinem Namen verbindet sich die Hoffnung vieler Menschen unterschiedlicher Volks- und Religionszugehörigkeit auf einen offenen, ehrlichen, weil auf historische Verantwortungsübernahme ebenso wie auf Versöhnung abzielenden Umgang miteinander. Diese Bewegung im Namen Hrant Dinks hat binnen der sechs zurückliegenden Jahre ihre eigenen Traditionen entwickeln können.
Am 6. Jahrestag der Ermordung Hrant Dinks fordern wir erneut die lückenlose Aufklärung der Hintergründe dieses Verbrechens, erinnern zugleich an die zahlreichen Kolleg/Innen Dinks, die in der Türkei noch immer Opfer politisch motivierter Verfolgung und Meinungsunterdrückung geworden sind und fragen nach dem Nationalismus als Ursprung von ethnischem Hass. Gemeinsam mit dem Hrant Dink Forum Berlin, dem Verein Allmende e.V. und in Kooperation mit Kultursprünge e.V. im Ballhaus Naunynstraße laden wir zu folgenden Veranstaltungen ein:
IM GEDENKEN AN HRANT DINK – IM NAMEN HRANT DINKS
FÜR GERECHTIGKEIT – GEGEN NATIONALISMUS!
Vor sechs Jahren wurde der Menschenrechtler und Journalist Hrant Dink in Istanbul von nationalistisch-rassistisch motivierten Tätern ermordet. Zuvor hatten zwei Jahre lang eine ungebremste Hetzkampagne der Medien sowie eine staatliche Verfolgungsjagd gegen ihn stattgefunden. Die verantwortlichen Entscheidungsträger haben alles unterlassen, um den aus dieser Hetze entspringenden Mord und seine juristische Aufarbeitung zu verhindern. Die wahren Hintermänner im Staatsapparat bleiben bis heute verschont.
Hrant Dinks Ermordung erfolgte in einem Umfeld des landesweit steigenden Nationalismus, welcher Verbrechen mit Patriotismus verwechselt und nationalistisch motivierte Staatsverbrechen wie den Völkermord an den christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich tabuisiert, trivialisiert oder schlicht bestreitet. In der Schulerziehung besitzt die Ausgrenzung und Diffamierung von ethnischen bzw. religiösen Minderheiten System. Noch 2011 wurden in einem staatlichen Schulgeschichtsbuch christliche Minderheiten als „Landesverräter“ beschrieben. Während nationalistische Hassredner und -täter auf Strafminderung oder gar Straffreiheit rechnen dürfen, finden sich Hunderte Menschenrechtler und Kritiker der Staatspolitik im Gefängnis wieder, und Tausende kurdischer Meinungsführer sowie Mitglieder einer prokurdischen Partei werden in Haft gehalten, als ein Teil der Einschüchterungspolitik. Diese auf die Zementierung interethnischen Hasses abzielende Politik belastet und spaltet die Gesellschaft der Türkei. Sie verhindert nicht nur die Klärung des Mordes an Hrant Dink, sondern auch ein gleichberechtigtes Leben in Sicherheit der vom Staat ausgegrenzten und diskriminierten Ethnien.
Es ist uns bewusst, dass gegenseitige Achtung und ein verantwortungsvoller Umgang mit belasteter und belastender Geschichte die unerlässliche Voraussetzung für Völkerverständigung bilden. Hrant Dink wollte einen diesen Grundsätzen entsprechenden Dialog. Doch er konnte sein Versöhnungswerk nicht vollenden. Hier rufen wir den türkischen Staat im Namen Hrant Dinks zur historischen Verantwortungsübernahme und zur Überwindung jeglicher Diskriminierungspolitik gegenüber Minderheiten auf!
* Hrant Dink Forum Berlin
* Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V.
* Allmende e.V.
Unterstützer:
* Bundesverband der Aramäer in Deutschland (BVDAD) e.V.,
* Armenische Gemeinde zu Berlin e. V.,
* Initiative DurDe_Deutschland (Stopp dem Rassismus)
Downloads:
15:00-16:00 Uhr: Mahnwache vor der Türkischen Botschaft Berlin, Tiergartenstr. 19-23, 10785 Berlin-Tiergarten
17:00-18:00 Uhr: Mahnwache am Kottbusser Tor, Berlin-Kreuzberg
20:00 Uhr: Gedenkveranstaltung für Hrant Dink
Programm:
Nihat Kentel (Hrant Dink Forum, Berlin): Begrüßung und Einführung
Ragιp Zarakolu (Verleger und Menschenrechtler, Istanbul): Vergangenheitsaufarbeitung und Probleme der Minderheiten in der gegenwärtigen Türkei (Vortrag mit Diskussion in türkischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung)
Tessa Hofmann: Thesen zum türkischen Nationalismus (Kurzreferat)
(Eintritt frei)
Gefördert von: