Auf seiner 25. Sitzung – zwei Tage vor dem Fünf-Jahres-Gedenken an Hrant Dinks Ermordung – verkündete Richter Rüstem Eryilmaz von der 14. Strafkammer zu Istanbul das Urteil: Wegen „Anstiftung zur Tötung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink vor fünf Jahren“ wurde Yasin Hayal zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt. Ein anderer verdächtiger Hintermann des Mordes, Erhan Tuncel, wurde vom Mordvorwurf freigesprochen, allerdings zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten für einen Bombenanschlag auf eine McDonald-Filiale (2004) verurteilt. Der zur Tatzeit angeblich erst 17jährige Haupttäter, Ögün Samast, war im Juli 2011 von einem Jugendgericht zu einer Haftstrafe von 22 Jahren und zehn Monaten verurteilt worden.

Der Freispruch für Erhan Tuncel und andere Details der Urteilsverkündigung kommen für Menschenrechtler und kritische Prozessbeobachter als große Enttäuschung. Noch vor der Urteilsverkündung hatte „amnesty international“ den türkischen Justizbehörden vorgeworfen, dass sie nicht dem Vorwurf der Verwicklung in Staatsbeamten in den Mord an H. Dink nachgegangen waren. Auch die Organisation „Reporters Without Borders“ hatte bereits vor der Urteilsverkündung seine Zweifel formuliert: „Was immer das Gericht entscheidet, wir erwarten uns nicht viel von diesem Gericht. Auch fünf Jahre nach Dinks Ermordung hat es sich als unfähig erwiesen, um die gesamte Komplexität im Staatsapparat zu durchdringen und die Hintermänner zu identifizieren. Niemand kann diesen Fall als abgeschlossen betrachten. Elemente in der Polizei sowie im Justizapparat haben die Ermittlung bis zum letzten Augenblick behindert. Das Ende des Verfahrens wird mit ziemlicher Gewissheit das Versagen eines Justizsystems bestätigen, das sich nicht selbst die nötigen Ressourcen zur Tatsachenfeststellung verschafft hat.

So besteht nur die vage Hoffnung, dass Dink endlich die Gerechtigkeit widerfahren wird. Alles hängt nun vom Wunsch und der Fähigkeit des Büros des Staatsanwalts ab um genug Beweise für die Eröffnung eines neuen Verfahrens zu sammeln. Zahllose Details in diesem Fall müssen noch abgeklärt werden, und eine neue gerichtliche Ermittlung ist absolut unerlässlich. Gemeinsam mit der Familie Dinks und seinen Kollegen hoffen wir, dass das Ende dieses Schauprozesses einen Neustart der Ermittlung markiert, und wir werden mit mehr Entschlossenheit denn je darauf hinwirken.“

Dem können wir uns nur anschließen. Während in Istanbul dazu aufgerufen wird, am 19. Januar 2012 an der Demonstration teilzunehmen, die von der „Agos“-Redaktion zum Taksimplatz verläuft, rufen wir zur Teilnahme an den Kundgebungen in Berlin auf:

19. Januar 2011: 17:00 Uhr vor der Türkischen Botschaft (Berlin-Mitte)
Siehe: https://www.aga-online.org/berlin-19-01-2012-gedenk-und-protestveranstaltung-vor-der-tuerkischen-botschaft-in-berlin-anlaesslich-des-5-jahrestag-der-ermordung-von-hrant-dink/

19. Januar 2011: 18:00 Uhr am Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg)
Siehe: https://www.aga-online.org/berlin-kreuzberg-19-01-2012-1800-1900-uhr-in-memoriam-hrant-dink-mahnwache-fuer-gerechtigkeit-adalet-noebeti/

Links:

http://www.trt-world.com/trtworld/en/newsDetail.aspx?HaberKodu=a1dfc257-d1d0-4934-914c-72be32ce3733