Der engagierte Menschenrechtler und Verleger R. Zarakolu stand wegen der Veröffentlichung der türkischen Ausgabe des Buches „The Truth will set us Free“ (2004) des armenisch-britischen Autors George Jerjian unter Anklage, zunächst wegen angeblicher „Herabwürdigung des Türkentums“. Zwar wurde das Verfahren mit Rücksicht auf die Novellierung des umstrittenen Strafrechtsartikels 301 ausgesetzt, doch die jetzige Entscheidung belegt die schlimmsten Befürchtungen von Bürger- und Menschenrechtlern im In- und Ausland, die die Novelle als reine Kosmetik betrachten: Auch die novellierte Fassung des Strafrechtsartikels 301, mit der ja angeblich die Pönalisierung von dissidenten Meinungen verhindert werden sollte, erlaubt der Rechtsprechung weiterhin eine höchst restriktive Anwendung.
Das Gericht erkannte darauf, dass Ragıp Zarakolu mit der Veröffentlichung von „The Truth will set Us Free“ (dessen Autor nachdrücklich an Türken und Armeniern appelliert hatte, größeren Realitätssinn zu zeigen) die Türkische Republik und ihre Gründer beleidigt habe. Der Einwand des Angeklagten, dass er das Recht zur Kritik besitze, blieb unberücksichtigt. Ein Formfehler kann aber möglicherweise zur Aufhebung des Urteils führen, denn das Gericht hat es versäumt, das türkische Justizministerium einzuschalten, wie es der reformierte Artikel 301 vorsieht.
Ragıp Zarakolu erklärte, dass er Berufung gegen dieses Urteil einlegen werde. Er habe es zwar halb erwartet, “aber ich sehe mich nicht als Verurteilten. Dies ist ein Urteil gegen die offizielle Geschichte und für die Leugnung!“ Herr Zarakolu erklärte des Weiteren, dass derartige Urteile viele Autoren in der Türkei mundtot gemacht hätten; er wolle aber weiterhin gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit kämpfen. Nach Angaben des türkischen Justizministeriums sind allein im Jahr 2006 1.700 Personen nach § 301 gerichtlich verurteilt worden.