Nur fünf Wochen, nachdem der weltbekannte türkische Konzertpianist Fazιl Say wegen angeblicher Verletzung der religiösen Gefühle von Muslimen zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war, folgte nun die ähnlich begründete Verurteilung des Buchautors und Bloggers Sewan Nschanjan (türk. Schreibweise: Sevan Nisanyan) aus ähnlichen Gründen. Er wurde zu einem Jahr und 45 Tagen Haft (ohne Bewährung!) verurteilt, weil er in einem Blog den antiislamischen Schmähfilm „The Innocence of Muslims“ verteidigt hatte, der Anfang September 2012 weltweit wütende muslimische Proteste ausgelöst hatte; in ihrem Verlauf starben über 50 Menschen und Hunderte wurden verletzt.

„The Innocence of Muslims“ bildet den Trailer eines weitaus längeren amateurhaften Spielfilms des Ägypters Nakoula Basseley Nakoula, der ab Juli 2012 als Video unter dem Titel „Das wahre Leben des Muhammad“ in Umlauf kam.

Nschanjan hatte 2012 in einem Blog mit dem Titel “Volkshetze muss bekämpft werden” die Meinung vertreten: “Es handelt sich nicht um Volkshetze, wenn man sich über einen arabischen Anführer lustig macht, der behauptet, dass er Allah vor Hunderten von Jahren kontaktiert habe und dafür politisch, finanziell und sexuell belohnt worden sei. Vielmehr ist dies ein Test für die Redefreiheit, fast auf Kindergarten-Niveau.“

Die Urteile gegen F. Say und S. Nschanjan sind kennzeichnend für die zunehmende Islamisierung in der Türkei und damit verbundene Einschränkung von Grundrechten und –freiheiten. Nschanjan kann jetzt nur ein Revisionsurteil vor Haft bewahren; eine Umwandlung der Haftstrafe in eine Geldstrafe ist ausgeschlossen. Mit einer Urteilsrevision oder gar –aufhebung dürfte freilich in der AKP-regierten Türkei nicht zu rechnen sein.

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