Am Mittwoch, den 8.12.2010, dem ersten Verhandlungstag im Prozess gegen den Menschenrechtler und Schriftsteller Doğan Akhanlı, entschied das 11. Istanbuler Strafgericht, ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen, weil kein dringender Tatverdacht bestehe.
Der deutsche Staatsbürger türkischer Abstammung war am 10. August am Istanbuler Flughafen verhaftet worden. Man warf ihm zu Unrecht und ohne rechtmäßige Beweise vor, an einem Überfall einer Wechselstube im Oktober 1989 beteiligt gewesen und damit des Raubes und Mordes schuldig zu sein.
Am 8. Dezember 2010 war nach vier Monaten Untersuchungshaft schließlich der erste Prozesstag für D. Akhanlı. Er nahm aus Protest gegen die haltlosen, gegen die UN-Folterkonvention (Art. 15) verstoßenden Vorwürfe und gegen grobe Verfahrensfehler sein Recht zu schweigen wahr. Seine Anwälten gingen ohnehin davon aus, dass der Prozess gegen ihn eingestellt werden müsse, denn Zeugen hatten Akhanlı eindeutig entlastet. Sowohl die Söhne des damals getöteten Wechselstubenbetreibers, als auch ein anderer Hauptbelastungszeuge hatten ausgesagt, dass er nicht der Täter gewesen war. Folglich konnte das Gericht nach über vier Stunden Verhandlung keinen dringenden Tatverdacht feststellen und entließ Akhanlı aus der Haft. Bis zum 09. März 2011 kann er nun zu Hause in Köln bleiben, dann wird der Prozess fortgesetzt und hoffentlich mit einem Freispruch abgeschlossen.
Trotz der Freilassung bleibt ein übler Beigeschmack, denn nicht nur hat Akhanlı zu Unrecht vier Monate wie ein Staatsverbrecher im Hochsicherheitsgefängnis Tekirdag verbringen müssen, er hätte auch sofort freigesprochen werden sollen. Zudem konnte er seinen schwer kranken Vater, den er im August eigentlich besuchen wollte, nicht mehr sehen, denn dieser ist in der Zwischenzeit verstorben und beerdigt worden. Einen Antrag auf Hafturlaub, um an der Beerdigung teilnehmen zu können, hatten die offenbar auf Rachejustiz bedachten Zuständigen abgelehnt.
Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6311114,00.html (9.12.10)