Die türkische Regierung bereitet weitere Verfassungsreformen vor. Dies ist der Anlass für zwei im Februar veröffentlichte kritische Dokumente zur Lage der Nicht-Muslime in der Türkei. Beim ersten Dokument handelt es sich um einen Bericht, dem zufolge bleibt die Lage der Nicht-Muslime (Christen und Juden) in der Türkei weiterhin angespannt bleibt, trotz jahrelanger Abmahnungen durch ausländische bzw. internationale Menschenrechtsorganisationen bzw. internationale Körperschaften der EU. Als Hauptgrund für die schlechte Lage nicht-muslimischer Minderheiten sehen die drei istanbul-armenischen Verfasser des einen Berichts den Umstand, dass diese Minderheiten entweder als Ausländer oder innere Staatsfeinde wahrgenommen werden. Folglich gebe es keinen einzigen Polizisten in der Türkei, der einer Minderheit angehört. Die Zwangsumsiedlung der Juden aus Thrakien 1934, die außerordentlich hohe Reichensteuer von 1942, die nur gegen Nicht-Muslime angewendet wurde und die großmaßstäbigen Angriffe auf Griechen in Istanbul am 6./7. September 1955 führten zur Verarmung der genannten Minderheiten und zur Vernichtung ihrer Kultur. Derartige Diskriminierungspraktiken und brutale Angriffe verursachten den erheblichen Rückgang der Minderheitenbevölkerung in der Türkei von 350.000 im Jahr 1927 auf heute 80.000, während sich im selben Zeitraum die Zahl der Türken versechsfacht habe.

Die Verfasser des Berichts stellen fest, dass zwar die türkische Regierung unlängst einige im Minderheitenbesitz befindliche Liegenschaften, die seit 1974 beschlagnahmt wurden, rückerstattet habe, doch infolge von Widersprüchen und Mängeln im neuen Gesetz über Minderheitenstiftungen können diese rückerstatteten Immobilien dennoch nicht benutzt werden, weil keiner der entsprechenden Minderheiten erlaubt wurde, sie zu reparieren.

Die Regierung habe ferner Artikel 41 und 42 des Lausanner Vertrages (1923) verletzt, in denen sie verpflichtet wird, Geldmittel und Möglichkeiten für Bildungs-, religiöse und Wohltätigkeitszwecke nicht-muslimischen Minderheiten zur Verfügung zu stellen und deren religiöse Einrichtungen zu schützen. Darüber hinaus würden diverse Vorschriften von Konventionen der Vereinten Nationen sowie die Europäische Menschenrechtskonvention fortgesetzt von der türkischen Regierung verletzt. Eines der gravierendsten Probleme sei die Nicht-Anerkennung des Armenischen Patriarchats sowie des jüdischen Rabbinats als gesetzliche Körperschaften seitens der türkischen Regierung. Das Ökumenische Patriarchat wurde erst 2010 von der türkischen Regierung als gesetzliche Körperschaft anerkannt.

Das zweite Dokument ist ein Interview mit Erzbischof Aram Ateschjan, dem Generalvikar des Armenisch-Apostolischen Patriarchats aus Anlass des 550jährigen Bestehens dieser Einrichtung. Nach Angaben des Generalvikars leben derzeit ca. 70.000 Armenier türkischer Staatszugehörigkeit in der Türkei, davon 67.000 in Istanbul sowie 500 in Ankara. Hinzu kämen etwa 100.000 türkische Staatsbürger, die fürchten, ihre armenische Herkunft zu offenbaren, sowie eine nicht näher spezifierte Zahl armenischer Arbeitsmigrant/Innen, die aufgrund ihres undokumentierten (illegalen) Aufenthaltsstatus nicht heiraten könnten und deren Kinder das Patriarchat nicht taufen dürfe.

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