Juristische und politische Folgen von Genozid ”Anerkennung” in Europa

PRESSEERKLÄRUNG

Berlin. – Die Arbeitsgruppe Anerkennung begrüßt nachdrücklich ein heute von der französischen Nationalversammlung mit überwältigender Mehrheit (90 Prozent) gefasstes Gesetz, das eine breitere Ahndung von Genozidleugnung als bisher das „Gesetz Gayssot“ (1990) ermöglicht. Sollte das Gesetz auch vom französischen Oberhaus (Senat) verabschiedet werden, können künftig Leugner des Völkermordes an den Armeniern mit Haftstrafen von bis zu einem Jahr bzw. 45000 Euro bestraft werden. Die heutige Beschlussfassung ist die logische Folge des am 29. Januar 2001 in Frankreich verabschiedeten Gesetzes, mit dem Frankreich den Völkermord an den Armeniern anerkannte. In dem entsprechenden Gesetzestext hieß es: „Dieses Gesetz wird als staatliches Gesetz angewendet.“ Wir meinen, dass die französischen Gesetzgeber mit ihrer Entscheidung einen wichtigen Beitrag zur Bestrafung und Prävention von Genozid geleistet haben. Wir verurteilen dagegen türkische Bestrafungskonzepte wie etwa die von dem ehemaligen Außenminister Yaşar Yakiş, der laut Agenturbericht (APA) unlängst vorschlug, die in der Türkei illegal arbeitenden Armenier zu deportieren, sollte die französische Nationalversammlung das „armenische Gesetz“ annehmen.

Mit den politischen und juristischen Konsequenzen von legislativen „Anerkennungs“beschlüssen“ setzen sich derzeit auch die niederländische und die schweizerische Öffentlichkeit auseinander. In den Niederlanden hatten die Föderation Armenischer Vereine (FAON) und das Komitee 24. April in drei Fällen erfolgreich gegen türkeistämmige Wahlkandidaten protestiert, von denen bekannt wurde, dass sie öffentlich den Völkermord an den Armeniern leugnen. In einer Parlamentsdebatte über die Europäische Union bekräftigte der niederländische Regierungschef Balkenende, dass er weiterhin die Rouvoet Motion praktiziere. Diese im Dezember 2004 verabschiedete Motion fordert die niederländische Regierung auf, “kontinuierlich und ausdrücklich die Anerkennung des armenischen Völkermordes“ von der Türkei zu fordern.

In der Schweiz sorgten dagegen Äußerungen des Justizministers Christoph Blocher für Befremden und öffentliche Empörung. Blocher hatte während seines Staatsbesuch in der Türkei geäußert: “Artikel 216 a [des schweizerischen Strafgesetzes] bereitet mir echte Kopfschmerzen“. Der 1994 verabschiedete Strafrechtsartikel, der im internationalen Vergleich das extensivste Antirassismusgesetz Europas darstellt, erlaubt auch die strafrechtliche Verfolung von Genozidleugnung. Zwei türkische Bürger, Dr. Doğu Perinçek und Prof. Yusuf Halacoğlu, müssen sich entsprechend wegen Verstoßes gegen Artikel 216 verantworten. Während die provokativen Initiativen des rechtsextremen National-Sozialisten Perinçek in Frankreich und Deutschland inzwischen auch vom Europäischen Parlament verurteilt werden, genießt Halacoğlu als Vorsitzender der staatskonformen Türkischen Historischen Gesellschaft größeren Schutz des Establishments. Die offene Parteinahme eines europäischen Ministers für Personen, die gegen Gesetze seines eigenen Landes verstoßen haben, wirft die Frage nach den praktischen Konsequenzen parlamentarischer „Anerkennung“ von geleugnetem Genozid auf.

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