Presseerklärung

Berlin. – Am 3.5.2007 haben mehrere Bundestagsabgeordnete der Fraktion Die LINKE eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zur Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus eingereicht. Auf diese Kleine Anfrage antwortete die Bundesregierung ausführlich am 3.5.2007 (Drucks. 16/5221).

So sehr die Arbeitsgruppe Anerkennung (AGA) die Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus als wichtiges Anliegen der deutschen Außenpolitik erachtet, kann sie dennoch erstens die zutiefst parteiische und deshalb einseitige Fragestellung der Kleinen Anfrage und zweitens die manipulative Auswertung der Antwort der Bundesregierung in der Pressemitteilung der Fraktion Die LINKE vom 9.5.2007 nur verurteilen.

Bemerkt sei zunächst, dass die Die LINKE seit 2005 mehrfach in die öffentliche Kritik geraten war, weil die Parteiführung billigend hinnahm, dass ihr Fraktionsangehöriger Prof. Hakki Keskin fortgesetzt durch Leugnung des Völkermordes an den Armeniern die Gefühle der armenischen Gemeinschaft in Deutschland zutiefst verletzte. Dass ausgerechnet die Fraktion der LINKEN qualifiziert ist, überzeugend Frieden und Stabilität im Südkaukasus zu fördern, muss allein schon angesichts ihrer Voreingenommenheit bezweifelt werden.

Dass die Kleine Anfrage darauf abzielte, Armenien als Ursache der Destabilisierung im Südkaukasus hinzustellen, ergibt sich unmittelbar aus deren Formulierung. Bereits in der Einleitung der Anfrage werden die Ursachen des Konflikts in Berg-Karabach verschleiert, nämlich die völkerrechtswidrige Zuordnung dieser mehrheitlich von Armeniern bewohnten Region an Aserbaidschan durch die sowjetrussische Führung im Jahr 1921, um dadurch die Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan leichter beherrschen zu können. Ebenso verschwiegen werden die jahrzehntelange politische, wirtschaftliche und kulturelle Diskriminierung der armenischen Bevölkerung in Berg-Karabach durch die aserbaidschanische Regierung sowie die bis heute anhaltende Zerstörung aller Spuren armenischer Kultur und Identität auf aserbaidschanischem Staatsgebiet. Spektakulärstes Beispiel hierzu war Ende 2005 die staatlich gelenkte Zerstörung des eintausendjährigen Friedhofs von Dschura (auch Djulfa, Jugha) in der Autonomen Republik Nachitschewan. Dieses einzigartige sakrale Baudenkmal wurde trotz Protestes der UNESCO zu einem Übungs- und Schussfeld der aserbaidschanischen Armee entweiht. Aus den Reihen der LINKEN kam und kommt keine Kritik an derartigen Aktionen Aserbaidschans.

Ferner wird sowohl in der Kleinen Anfrage als auch in der Pressemitteilung der Fraktion Die LINKE behauptet, dass Armenien die Region Berg-Karabach okkupiere. Doch Armenien befand sich nie im Krieg mit Aserbaidschan und definiert sich nicht als Konfliktpartei. Die Republik Berg-Karabach wurde bislang auch von Armenien nicht offiziell anerkannt. Armenien stellt innerhalb der so genannten Minsk-Gruppe der OSZE lediglich eine „interessierte Partei“ dar, ähnlich wie die Türkei. Die Forderung der Fraktion Die LINKE nach einem bedingungslosen Abzug der Besatzungstruppen Armeniens kann vor diesem Hintergrund nur als skurril und wirklichkeitsfremd eingestuft werden.

Die Pressemitteilung der Fraktion Die LINKE spricht weiter von „ethnischen Säuberungen“ und erweckt dabei den Eindruck, dass diese Formulierung von der Bundesregierung stamme. In der Antwort vom 3.5.2007 ist sie jedoch nicht zu finden. Diese bewusste Manipulation lässt sich im Kontext der Leugnung des Völkermords an den Armeniern verstehen: Die ehemaligen Opfer eines Völkermords sollen ihrerseits als Täter eines Verbrechens gegen die Menschheit erscheinen, um nachträglich diesen Völkermord rechtfertigen bzw. leugnen zu können.

Höchst bedenklich ist ferner die Frage der LINKEN nach der Zahl der Vertriebenen auf beiden Seiten, die derzeit immer noch in Flüchtlingslagern leben, sowie die Antwort durch die Bundesregierung. Nach Angaben der Bundesregierung existieren keine Flüchtlingslager in Armenien, während in Aserbaidschan nach dortigen offiziellen Angaben noch etwa. 20 000 Binnenflüchtlinge in Flüchtlingslagern leben. Diese Darstellung ist missverständlich: Tatsächlich erklärt sich die Diskrepanz durch die absichtliche Politik Aserbaidschans, ihre Flüchtlinge nicht zu integrieren, trotz reicher Erdöleinkommen und internationaler Zuwendungen, während in Armenien eine gezielte Eingliederung von Flüchtlingen aus Aserbaidschan stattgefunden hat. Dass Flüchtlingslager in Armenien nicht mehr existieren, stimmt des Weiteren nicht ganz: Trotz der Integration der Mehrheit der Flüchtlinge leben immer noch viele in provisorischen Notunterkünften, die zwar nicht als Lager bezeichnet werden können, jedoch notwendiger Infrastrukturen ermangeln.

Die Arbeitsgruppe Anerkennung steht aus diesen Gründen skeptisch gegenüber solchen Initiativen, die zur friedlichen Lösung des Karabach-Konflikts nicht beitragen können, sondern die Situation eher verschlechtern. Von der Bundesregierung wird vielmehr im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine objektive und unparteiische Auseinandersetzung mit der Situation in Berg-Karabach erwartet. Dazu gehört nach unserer Auffassung in erster Linie, Karabach als Hauptbetroffenen wahrzunehmen und gleichberechtigt mit Aserbaidschan in weitere Verhandlungen einzubeziehen.

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