2015 jährt sich das Gedenken an die staatlich geplante und organisierte Vernichtung von Armeniern, Aramäern/Assyrern/Chaldäern sowie an griechisch-orthodoxen Christen im Osmanischen Reich zum 100. Mal. Die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V. ruft aus diesem Anlass zu Mahnwachen vor der Botschaft der Republik Türkei und dem Bundeskanzleramt auf. Unser Protest richtet sich gegen die Weigerung sämtlicher bisheriger Regierungen der Republik Türkei, Verantwortung für die Geschichte ihres Landes zu übernehmen. Statt die spätosmanische Kriminalgeschichte aufzuarbeiten, sich bei den Nachfahren der Opfer zu entschuldigen und nach überzeugenden Wegen der Aussöhnung zu suchen, betrachten die türkische Staatsführung, aber leider auch immer noch große Teile der Gesellschaft Armenier in Geschichte und Gegenwart als Bedrohung für die Staatssicherheit. Auf entsprechenden Konstrukten beruht auch die Darstellung in den Schulgeschichtslehrbüchern der Türkei. Die Stigmatisierung als „Verräter“ und „Gefahr“ setzt die noch in der Türkei lebende armenische Minderheit unmittelbarer Bedrohung aus.
Doch auch Deutschland tut sich schwer, sich seiner Verantwortung gegenüber der Geschichte zu stellen. Im Ersten Weltkrieg rügte der damalige Reichskanzler Bethmann Hollweg den Botschafter Deutschlands zu Konstantinopel, als dieser eine kritischere Türkeipolitik vorgeschlagen hatte: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht. Bei länger andauerndem Kriege werden wir die Türken noch sehr brauchen.“ Deutschland war damals nicht nur wohlinformierter Mitwisser der Verbrechen, sondern auch deren Nutznießer.
Dieses unverhohlene Nutzdenken zu Lasten einer humanistisch und humanitär ausgerichteten Politik pflanzt sich bis in die Gegenwart fort. Die Bundesregierung hat es immer wieder abgelehnt, Stellung zu den 1915/6 begangenen Verbrechen des damaligen türkisch-osmanischen Waffenbruders zu nehmen und verweist Armenier bzw. Armenien an die Türkei, mit der die heutigen Armenier klären sollen, ob das ihren Vorfahren zugefügte Unrecht den Tatbestand eines Genozids erfüllt. Über die Gründe des würdelosen deutschen Ausweichsens wollen wir hier keine Mutmaßungen anstellen. Aber es erscheint uns gerade in einer zunehmend multikulturellen, pluralen Zuwanderungsgesellschaft als verkehrtes Signal und verantwortungslos.
Unsere Enttäuschung und unseren Protest wollen wir am Samstag, den 18. April 015, äußern.
15:00-16:00 Uhr: Auftaktmahnwache: Berlin-Mitte (gegenüber der türkischen Botschaft, Tiergartenstr. 19-21, 10785 Berlin). Wir führen eine Wachrufungszeremonie durch, bei die Teilnehmer_innen der Mahnwache abwechselnd 115 Namen der seit dem 24. April 1915 festgenommenen und ermordeten Armenier verlesen.
16:00-16:30: Mahngang (beantragte Route: Tiergartenstraße, Lennéstraße, Ebertstraße/Behrenstraße, Simsonweg, Scheidemannstraße, Heinrich-von-Gagern-Straße, Paul-Löbe-Allee
16:30-17:00 Abschlussmahnwache + Übergabe einer Petition an die Bundeskanzlerin: Berlin-Mitte, Forum vor dem Bundeskanzleramt