Deutschland tut sich auch einhundert Jahre nach dem osmanischen Genozid immer noch schwer mit dem Gedenken im öffentlichen Raum seiner Städte und Kommunen. Das erklärt sich nur teilweise aus dem Umstand, dass der deutsche Gesetzgeber noch immer keine Resolution zum Genozid an den Armeniern, Aramäern/Assyrern/Chaldäern sowie Griechen Kleinasiens und Ost-Thrakiens verabschiedet hat. Denn in ihrer Entscheidung, ob ein Gedenkstein im öffentlichen Raum errichtet wird, sind Stadtoberhäupter und Stadtparlamente, Bezirksversammlungen und Gedenktafelkommissionen unabhängig von Vorgaben des Bundestags.

Das belegte 2005 Bremen, wo der damalige SPD-Bürgermeister Henning Scherf im letzten Jahr seiner Amtszeit die Errichtung eines Kreuzsteins zum Gedenken an die armenischen Opfer des Weltkriegsgenozids genehmigte. Auch seine Parteifreundin Dagmar Szabados (SPD) hat als Bürgermeisterin der Stadt Halle kurz vor ihrer vorzeitigen Berentung 2012 der Errichtung eines Kreuzsteins zugestimmt. Dieser Stein wird bei einer Feier am 10. Mai 2015 eingeweiht.

Weniger positiv liegen die Dinge in der ostfriesischen Hauptstadt Leer. Dort hatte 2013 ein armenischstämmiger Geschäftsmann, Albert Towmassjan, die Errichtung eines Kreuzsteins zum Gedenken an die armenischen Völkermordopfer angeregt. 2014 erteilte ihm, ebenfalls im letzten Jahr seiner Amtszeit, der parteilose Bürgermeister Wolfgang Kellner die Genehmigung, den rund 3 Meter hohen, als traditionellen Kreuzstein konzipierten Gedenkstein im Leeraner Bürgerpark auf der Fischerinsel zu errichten. A. Towmassjan gab bisher über 9.000 EUR aus eigener Tasche für die Herstellung eines künstlerisch anspruchsvollen Kreuzsteins in Armenien aus und bezahlte auch Gedenkfeiern, um das Projekt der Leeraner Öffentlichkeit vorzustellen. Bürgermeisterin Beatrix Kuhl (CDU), die Nachfolgerin Kellners seit 2014, bestätigte zwar nach einigem Hin und Her die Genehmigung ihres Amtsvorgängers, wehrte sich aber gegen eine Gedenkinschrift, die den Begriff Völkermord oder Genozid enthält, und legte Towmassjan am 26. April 2015 einen Nutzungsvertrag vor, der ihm bei Unterzeichnung die gesamten Kosten für die Errichtung und Erhaltung des Gedenksteins aufbürden würde und einer alljährlichen Verlängerung bedarf.

Am 19. März 2015 hatte der Leeraner Verwaltungsrat beschlossen, als Gedenkinschrift des Kreuzsteins „Armenien lebt!“ zu verwenden. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Leeraner Stadtrat, Bruno Schachner sollte damit der Begriff Genozid umgangen werden soll. Auf Antrag der Grünen, die ebenso wie die SPD-Fraktion die Errichtung des Kreuzsteins nebst einer Gedenkinschrift unterstützen, die den Begriff Genozid aufgreift, findet am 13. Mai 2015 eine erneute Erörterung des Themas im Verwaltungsrat statt – hoffentlich mit einem Ergebnis, dass sachlich und rechtlich angemessener ist.

Leer ist leider nicht das einzige negative Beispiel. Auch in Gütersloh und Köln scheiterten – vorerst – Initiativen zur Errichtung von Gedenksteinen an den Ortsbehörden.

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