Martina Ürek hat ihre Heimat und die letzten syrisch-orthodoxen Christen in der Südosttürkei besucht. Wir empfehlen die Lektüre ihres Reiseberichts.

Ein Kommentar
von Mehmet Bedirhanoğlu

Ich habe bewusst mit der Veröffentlichung dieses Artikels gezögert, denn ich wollte die gesellschaftlichen Reaktionen beobachten, um einen Artikel darüber zu schreiben. Das Thema ist folgendes: Gegen die syrisch-orthodoxen Christen wird in der letzten Zeit manches Negative unternommen. Zum einen wurden an die Wände einer Kirche Beschimpfungen und Beleidigungen geschrieben und versucht, die dort ansässigen syrischen Christen zu vertreiben.

Zum anderen wurde eine Gemeinde während des Gottesdienstes durch einen Überfall eines angeblich geistig Behinderten, der in der einen Hand eine Flagge und in der anderen Hand einen Hammer hielt, beunruhigt. Auch wenn diese beiden Vorfälle auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, ist zu erkennen, dass diese zeitlich und örtlich im Zusammenhang stehen und hier gewisse Personen ihre Vorhaben in die Tat umgesetzt haben. Es ist deutlich zu erkennen, dass es sich um Provokation handelt. So ähnlich wie das damals durchgeführte Kennzeichnen von Wohnungen von Aleviten in Corum, Maras und vielen anderen Orten.

Die syrisch-orthodoxen Christen, eines der ältesten Völker in Mesopotamien, haben in der Vergangenheit, teilweise wegen ihrer Sprache und wegen ihres Glaubens viel Ungerechtigkeit erlebt. Man kann anhand dessen, was die Syrer erlebt haben, sehen, wie schwierig es ist, als eine Minderheit inmitten einer Mehrheit der Muslime zu leben.

Auch in der Vergangenheit wurden die Christen nicht von Vertreibung verschont. Zuletzt herrschte in den1990er Jahren eine wirre Zeit, in der sie vertrieben, beleidigt und ermordet wurden.

Dass wir diejenigen, die nicht zu uns gehören, schon seit jeher nicht gut behandeln, ist offensichtlich. Manchmal tun wir das aus Gründen der ethnischen Differenz, manchmal auch wegen der Unterschiede in der Religion. Dabei versuchen wir die Schuld anderen zuzuschieben und uns als unschuldig darzustellen.

Wenn wir die oben beschriebenen Vorfälle betrachten, wird klar, dass es Personen gibt, die sich gestört fühlen, dass die Syrer hier in ihrem eigenen Vaterland leben. Diejenigen, die das Leben des Volkes schwer machen wollen, scheinen heute wie auch in der Vergangenheit an ihren Zielen festzuhalten. Das ist der Grund, warum heute Zehntausende der syrisch-orthodoxen Christen aus Angst um ihr Leben fern von ihrer Heimat in Amerika und Europa leben. Nicht nur hier in Midyat, auch in Mardin wurden ähnlich üble Vorgehen durchgeführt.

Auf die Kirchen werden Beleidigungen geschmiert, auf Verkehrshinweisschildern die Ortsnamen zugeklebt, geistig kranke Menschen stürmen Gottesdienste, und es passieren zahlreiche weitere unschöne Vorfälle. Zuletzt wurden von der Stadtverwaltung von Istanbul-Avcilar Plakate gegen Nonnen aufgestellt, die zeigen, wie wenig Toleranz gegenüber Andersgläubigen besteht.

Ich glaube, dass man mit den Syrern, die zu den „farbenreichsten Blumen Mesopotamiens“ gehören, zusammen leben kann; ja, dass sogar diese Gegend ohne sie ihre Bedeutung verlieren würde. Jedes Mal, wenn ich die Tür öffne und einen Syrer sehe, merke ich, dass wir ein großes Glück haben, diesen Reichtum in unserer Nähe zu haben. Deswegen ist es inakzeptabel, dass geistig Behinderte oder gesunde Menschen derart unschöne Aktionen durchführen.

Diejenigen, die diese Mauern mit solchen unschönen Sätzen beschrieben haben, um bestimmte Menschen zum Verlassen der Region zu treiben, sollten wissen, dass es richtig wäre, wenn sie selbst diese Gegend verlassen würden. Midyat gehört kulturell gesehen zu den wenigen Orten dieser Welt mit einer großen Vielfalt an Religionen und Sprachen. Niemand in dieser Gegend – und auch generell nicht in der Türkei – besitzt das Recht, diese Vielfalt zu zerstören. Man muss auch bedenken, dass die Syrer zu den Ursprungsvölkern dieser Gegend gehören. Die Geschichte belegt, wer hier nachträglich eingewandert ist.

Ich möchte hiermit erklären, dass ich diese Taten gegen die syrisch-orthodoxen Christen verurteile und mich auf die Seite der Syrer stelle. Ich möchte jeden aufrufen, gegen diese Taten vorzugehen. Es reicht!

Anmerkung:
„Syrer“ meint in diesem Kontext syrisch-orthodoxe Christen. Der Text erschien im Midyat Habur, am 21.September 2010. Mehmet Bedirhanoglu ist türkischer Journalist und Muslim. Er wohnt in Midyat, im Südosten der Türkei

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