Der von einer Mehrheit der Demokratischen Partei beherrschte Ausschuss machte damit den Weg frei für die endgültige Abstimmung der rein symbolischen US-Resolution im Plenum des Kongresses; sie soll Mitte November und noch vor dem Thanksgiving Day (16. November) stattfinden.

Die Abstimmungen finden unter dem massiven Druck nicht nur diverser Lobbygruppen, sondern vor allem der Regierung der USA statt. Acht ehemalige Außenminister der USA hatten sich öffentlich gegen die Verabschiedung der Resolution ausgesprochen, weil diese angeblich große Gefahren für die Sicherheitslage und auswärtigen Beziehungen der USA berge; auch die derzeitige Außenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates wandten sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Resolution. Präsident George W. Bush, der sich vor seiner Wahl zum Präsidenten den etwa 1, 4 Millionen armenischstämmigen Bürgern der USA durch das Versprechen, in seiner Amtszeit den Völkermord „anzuerkennen“ empfohlen hatte, appellierte kurz vor der Ausschusssitzung an die Kongressmitglieder, die Resolution abzulehnen. Er begründet seine jetzige Haltung mit den bekannten offiziellen Argumenten der Türkei: Die „Massaker an den Armeniern“ seien eine historische und keine politische Angelegenheit. Die türkische Botschaft in Washington gab bisher monatlich über 300000 Dollar pro Monat aus, um über drei Kommunikationsfirmen Druck auf die Kongressabgeordneten auszuüben. Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass der Kongress dem Druck und den Drohungen bisher standgehalten hat.

George W. Bush verhält sich ebenso wie sein demokratischer Amtsvorgänger Bill Clinton. Beide hatten vor ihrer Wahl eine Anerkennung in Aussicht gestellt, aber getreu der Adenauer-Devise „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ im Amt ihr Versprechen gebrochen. Versuche, im Kongress eine Genozid-Resolution zur Abstimmung zu bringen, scheiterten zuletzt im Oktober 2000, als Bill Clinton buchstäblich 15 Minuten vor Abstimmung mit Berufung auf angebliche Gefahren für die nationale Sicherheit die Befassung mit der Resolution von der Tagesordnung streichen ließ. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein solches Szenario wiederholen könnte, nur diesmal mit republikanischer Rollenbesetzung.

92 Jahre post factum: Genozid oder „tragisches Leid“?
George W. Bush zum Völkermord an den Armeniern –
vor und nach seiner Wahl zum US-Präsidenten

Vor der Wahl, am 19. Februar 2000:

“Das 20. Jahrhundert war von Kriegen von unvorstellbarer Brutalität, von Massenmord und Genozid überschattet. Die Geschichte überliefert, dass die Armenier das erste Volk war, das im vergangenen Jahrhundert diese Grausamkeiten erleiden musste. Die Armenier waren einem genozidalen Feldzug ausgesetzt, der das Fassungsvermögen übersteigt und allen anständigen Menschen gebietet, sich zu erinnern und die Tatsachen und Lektionen eines grässlichen Verbrechens in einem Jahrhundert der blutigen Verbrechen gegen die Menschheit anzuerkennen. Falls ich zum Präsidenten gewählt werde, würde ich dafür eintreten, dass unsere Nation das tragische Leiden des armenischen Volkes anerkennt.“

„The twentieth century was marred by wars of unimaginable brutality, mass murder and genocide. History records that the Armenians were the first people of the last century to have endured these cruelties. The Armenians were subjected to a genocidal campaign that defies comprehension and commands all decent people to remember and acknowledge the facts and lessons of an awful crime in a century of bloody crimes against humanity. If elected President, I would ensure that our nation properly recognizes the tragic suffering of the Armenian people.”

Nach der Wahl, am 10. Oktober 2007:

“Ich ersuche die Mitglieder, die jetzt vom Auswärtigen Ausschuss des Hauses erörterte Resolution zum armenischen Genozid abzulehnen. Wir alle bedauern zutiefst das tragische Leid des armenischen Volkes, das 1915 begann. Diese Resolution ist nicht die richtige Antwort auf diese historischen Massentötungen, und ihre Verabschiedung würde unseren Beziehungen mit einem Hauptverbündeten in der NATO sowie im globalen Krieg gegen den Terror schweren Schaden zufügen.“

“I urge members to oppose the Armenian genocide resolution now being considered by the House Foreign Affairs Committee. We all deeply regret the tragic suffering of the Armenian people that began in 1915. This resolution is not the right response to these historic mass killings, and its passage would do great harm to our relations with a key ally in NATO and in the global war on terror.”