Mehmet Ali Çankaya wirft „internationalen Gemeinschaften und Menschenrechtsorganisationen“ vor, die Türkei seit 100 Jahren in ihrer Leugnung des Genozids sowie der entschädigungslosen Enteignung der Opfer bestärkt zu haben:
100 Jahre Völkermord an den Armeniern, Assyrer und Griechen
Vor 100 Jahren, während des Ersten Weltkriegs, am 24. April 1915, geschah unter Verantwortung des Osmanischen Reichs, ein Völkermord an den Armeniern, Assyren und Griechen. Diesem ersten systematischen Genozid des 20. Jahrhunderts, in den Jahren 1915 und 1916, fielen durch Massaker und Todesmärsche etwa 1,5 Millionen Armenier, 600.00 Assyrer und 380.000 Griechen zum Opfer. Um “Anatolien von Armeniern, Assyren und Griechen zu säubern” wurden Armenier, Assyrer und Griechen aus fast ganz Anatolien deportiert, und während dieser Deportation getötet. Die Volkszählung der Osmanen aus dem Jahr 1914 liefert folgende Zahlen: Armenier: 1,3 Million, Griechen (Rum): 1,6 Million. Die während der Republik, im Jahr 1927 durchgeführte Volkszählung ermittelte 64.715 Armenier und 119.000 Griechen!
Dem Völkermord an den Armeniern, fielen nicht nur die armenische Bevölkerung zum Opfer – der Genozid traf auch andere christliche Bevölkerungsschichten Anatoliens, wie z. B. Assyrer und Griechen, die ebenfalls deportiert und grausam ermordet wurden. Während und nach den Massakern und Deportationen wurde das Vermögen der Armenier und anderer christlicher Bevölkerungsschichten geplündert und als “Aufgegebenes Eigentum” an die “muslimische Bevölkerung” übergeben.
Der Vertrag von Sêvres vom 10. August 1920, der zwischen der Entente und dem Osmanischen Reich unterschrieben wurde, verlangte ausdrücklich die Bestrafung der für die Massaker und Deportationen Verantwortlichen und verpflichtete die osmanische Regierung in Artikel 230, die Verdächtigen auszuliefern. Artikel 144 verlangte von der osmanischen Regierung, das Gesetz von 1915, mit dem das Vermögen der Armenier zu “Aufgegebenes Eigentum” bezeichnet wurde, für Null und nichtig zu erklären. Der Sèvrer Vertrag wurde nie ratifiziert.
Seit dem Völkermord an den Armeniern sind 100 Jahre vergangen. Bis heute wurde diese ethnische Säuberung durch türkische Regierungen weder anerkannt, noch wurde das Vermögen der ermordeten und deportierten Armenier, Assyrer und Griechen zurück gegeben. Auf der anderer Seite zogen internationale Gemeinschaften und Menschenrechtsorganisationen wie UN-Konvention, Human Rights u.a. gegen die Regierungen der Türkei keine Konsequenzen. Diese Ignoranz der internationalen Gemeinschaften und Menschenrechtsorganisationen bestärkt und ermutigt die türkischen Regierungen, seit 100 Jahren in ihrer Haltung. Aus diesem Grund sind die Massenmorde an den Aleviten (1920 Kocgiri, 1938 Dersim, 1978 in Maras, 1993 in Sivas, 1995 in Gazi – Istanbul u.a.), die Assimilation und Unterdrückung durch die türkischen Regierungen ungehindert weitergegangen.
Auch heute geht die Unterdrückung, Islamisierung und Menschenrechtsverletzung gegen Christen, Kurden und Aleviten weiter.
Trotz dem alevitischen Naturglauben und der eigenständigen alevitischen Philosophie, die sich deutlich vom muslimischen Glauben unterscheidet, werden noch heute die Kinder der Aleviten in den türkischen Schulen zwangsweise islamisch unterrichtet und in den alevitischen Dörfern Moscheen gebaut. Nach mehreren Anklagen der Aleviten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die türkische Regierung mehrmals zu Geldstrafen verurteilt und verwarnt, “dass es Menschenrechtswidrig ist, die Kinder der Aleviten islamisch zu unterrichten.” Alle bisherigen und auch die derzeitige Regierung der Türkei haben diese Urteile des (EGMR) ignoriert.
Mehmet Ali Çankaya
Vorstandsvorsitzender aleviten Österreich