Verein der Völkermordgegner e.V. Frankfurt / Main

Soykırım Karşıtları Derneği (SKD)

Kontakt; E-Mail: skd@gmx.net

Appell zum Schutz der territorialen Integrität Armeniens und des armenischen Volkes

Sehr geehrte Frau Außenministerin Baerbock,

als seit 25 Jahren bestehender Verein türkeistämmiger Menschen wenden wir uns an Sie, um unserer Sorge um die territoriale Integrität Armeniens und um die Sicherheit der armenischen Bevölkerung Ausdruck zu verleihen.

Als Verein der Völkermordgegner e.V. setzen wir uns seit unserem Bestehen dafür ein, dass die in der heutigen Türkei an den christlichen Völkern – Armenier, griechisch-orthodoxe Christen und den Assyro-Aramäer – begangenen Völkermorde in der Türkei aufgearbeitet und verurteilt werden.

Die kürzlich mit tatkräftiger Unterstützung der Türkei erfolgte Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach durch das aserbaidschanische Militär hat uns vor Augen geführt, wie machtlos Politik auch heute vor Verbrechen ist, die von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen  und Genozidwissenschaftlern als Völkermord eingestuft wurden. Die Armenier*innen haben dies wie eine Fortsetzung der genozidalen Politik von 1915 erlebt.

Nach dem planvollen Aushungern der Bevölkerung Berg-Karabachs durch Aserbaidschan und seine Verbündeten, einen Militärangriff am 19. September 2023 und anschließend die restlose Vertreibung der Armenier*innen aus ihrer Heimat stehen Experten zufolge nun weitere militärische Schritte Aserbaidschans mit tatkräftiger Waffenbruderschaft der Türkei an, die darauf abzielen, Armeniens Existenz weiter zu bedrohen.

  • Die Gebietsansprüche Aserbaidschans auf den Süden der Republik Armenien (Region Sjunik) mit dem Ziel, eine territoriale Einheit mit Nachitschewan herzustellen.
  • Die weitere Schwächung Armeniens als Staat und Gesellschaft mit dem Ziel ein christliches Land des Kaukasus auszuradieren.

Dabei geht die Schwächung auf teilweise subtile und kleinschrittige Weise vor, so dass eine Gegenreaktion oft zu spät kommt, wie in der Arzach/ Berg-Karabach-Frage sichtbar wird. Dies ist die sogenannte Salami-Taktik Aserbaidschans und seines Verbündeten, der Türkei. Das Ziel der Türkei ist es, im Sinne des Pantürkismus einen Staatenverbund der Turkvölker herzustellen, dem Armenien im Weg steht.

Eine wertebasierte Außenpolitik der EU und Deutschlands, so wie sie von der Bundesregierung und dem Außenministerium für sich in Anspruch genommen wird, darf die weitere Schwächung Armeniens um keinen Preis zulassen. Zurecht haben Sie selbst bei Ihrem Besuch in Jerewan Armenien als „Wertepartner“ bezeichnet. Der auf die Verbreitung von Islamismus und pantürkischer Ideologie ausgerichteten aggressiven Politik der Türkei darf Armenien nicht (erneut) zum Opfer fallen. Die Kosten für die europäischen Werte wie liberale Demokratie, Menschenrechte, Religionsfreiheit u.a. wären unschätzbar hoch. Dies auch deshalb, weil die politische Autokratisierung und islamisch-religiöse Dogmatisierung von Gesellschaften wie ein Bumerang auf die „(westliche) zivilisierte Welt“ jetzt schon zurückfällt. Um es mit dem französischen Autor Patrick Francesi zu sagen – und wie Sie und wir es im Zusammenhang mit dem brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine häufig gehört haben -, müssen diejenigen verteidigt werden, die unsere Werte verteidigen, weil andernfalls unsere (westlichen) Werte auf Dauer selbst bedroht und dem Untergang ausgeliefert sind. Kurz: weil andernfalls wir und unsere Lebensweise die nächsten sind, die bedroht werden.

Wir haben ähnliche Gedanken auch aus Ihrem Munde häufig gehört und danken Ihnen für Ihr Engagement. Angesichts der derzeit  zahlreichen Brandherde auf der Welt ist es für Sie keine leichte Aufgabe, als Außenministerin der Vielzahl von Konflikten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

Sehr geehrte Frau Außenministerin,

es war für uns vor diesem Hintergrund ein positives Zeichen, dass Sie Anfang November u.a. Armenien besucht haben. Deshalb wenden wir uns an Sie, um Sie darum zu bitten, Ihren Bemühungen im Verbund mit anderen Staaten auch weitere konkrete Maßnahmen, die dem Schutz Armeniens und seiner Bevölkerung dienen, folgen zu lassen. Das Gefühl der armenischen Bevölkerung nach der Entvölkerung Berg-Karabachs und nach den zahlreichen Attacken auf die Grenzregion Armeniens selbst ist das Gefühl immer weiter ansteigender Bedrohung. Deswegen finden wir Frankreichs Vorgehen, die militärische Kooperation mit Armenien zu stärken und einen Konsularischen Sitz in der unmittelbar bedrohten Region Sjunik zu errichten, notwendig und richtig.

Angesichts des traditionellen Bündnisses, das Deutschland mit dem Osmanischen Reich bereits zum Zeitpunkt des Genozids von 1915 pflegte, ist es nun an der Zeit, die Beziehungen zur Türkei zu hinterfragen. Wie in ihrem Vorgehen auf Seiten Aserbaidschans gegen die Armenier Berg-Karabachs sichtbar wird, ist die Türkei kein „Wertepartner“, sondern eine expansive Regionalmacht, die Ideologien wie Islamismus und türkischen Nationalismus auf äußerst brutale Weise durchsetzen möchte.

Außer dem Schutz Armeniens und seiner Bevölkerung bitten wir Sie mit diesem Brief folglich auch darum, eine Kehrtwende in den Beziehungen zur Türkei zu vollziehen. Denn das antidemokratische Regime der Türkei unterdrückt Menschen, die sich für ihre freiheitlichen Rechte einsetzen. Wir fragen uns seit Jahren, wie die Kooperation mit diesem Regime mit wertebasierter Außenpolitik vereinbar sein soll. Wir hoffen, dass das von Ihnen geführte Außenministerium hier eine deutlich andere Linie einschlagen wird.

Hochachtungsvoll

Dieser Appell wird unterstützt von unserer Partnerorganisation, der Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung (AGA) e.V.