Gemeinsam mit dem Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V., dem Verband der Vereine der Griechen aus Pontos in Europa e.V. (OSEPE) sowie der Initiative DurDe_Deutschland rufen wir zu zwei Mahnwachen und einem Mahngang im Zentrum Berlins auf.

„N I E  W I E D E R!“

Erinnerungspolitische Mahnwachen und Mahngang gegen Genozid und Minderheitendiskriminierung

Berlin, Karsamstag, 19. April 2014, 14:00-17:00

Mit unseren Mahnwachen vor der Türkischen Botschaft Berlin und dem Bundeskanzleramt fordern wir die auch nach 99 Jahren noch immer ausstehende Anerkennung des Genozids an den Armeniern, Aramäern/Assyrern sowie Griechen osmanischer Staatszugehörigkeit.

Die offizielle und offiziöse Türkei bestreitet bis heute, dass es sich bei den „Ereignissen von 1915“ (so der amtlich von PM Erdoğan diktierte Terminus) um einen Genozid entsprechend der UN-Konvention (1948) gehandelt hat. Im besten Fall bescheinigen türkische Staatspolitiker Armeniern und Türken wechselseitige „Schmerzen“ (so die Formulierung von Außenminister Ahmet Davutoğlu) bzw. laden den armenischen Staat und die Nation ein, diese Schmerzen gegeneinander aufzurechnen. Im Regelfall aber greifen türkische Diplomaten bis heute ein, wenn in ihrem jeweiligen Amtsbereich eine kulturelle oder wissenschaftliche Veranstaltung zum Völkermord an den Armeniern oder anderen Opfergruppen stattfinden soll. Die Ziele ihrer Interventionen sind stets die Einschüchterung der Veranstalter, eine Verhinderung der Veranstaltung oder zumindest ihre Instrumentalisierung, um sie als Tribüne für die Verbreitung der offiziellen türkischen Leugnung zu nutzen.

Auch die Position der Bundesregierung und des deutschen Gesetzgebers bleiben ein Jahr vor dem internationalen Gedenken halbherzig und damit kritikwürdig. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber 2005 einstimmig eine nicht-legislative Resolution verabschiedet, in der er Verantwortung für die „Massaker und Deportationen“ übernahm, die 1915/6 an anderthalb Millionen Armeniern sowie über einer halben Million aramäischsprachigen Christen verübt wurden. Aber die Resolution blieb gleichwohl halbherzig: Sie enthielt keine juristische Qualifizierung der osmanischen „Massaker und Deportationen“ als Genozid entsprechend der UN-Konvention. Politische Entscheidungsträger der unterschiedlichen Regierungen haben seither bei verschiedenen Gelegenheiten – meist in Form Kleiner Anfragen – eine juristisch qualifizierte Stellungnahme abgelehnt und stattdessen auf die Notwendigkeit des „türkisch-armenischen Dialogs“ verwiesen. Abgesehen davon, dass ein solcher „Dialog“ eine Fiktion war und ist, kommt die Position des deutschen Gesetzgebers und der Bundesregierung der Aufforderung an Juden gleich, im „Dialog“ mit Nazis herauszufinden, ob im 2. WK zu einem Völkermord an den europäischen Juden stattfand.

2013 hat die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V. den damals im Bundestag vertretenen Parteien vier erinnerungspolitische Wahlprüfsteine zur Beantwortung geschickt. Hier die Erwiderung der CDU auf die erste unserer Fragen:

Frage der AGA: Wird sich die Christlich-Demokratische Union dafür einsetzen, dass der Deutsche Bundestag die Halbherzigkeit seines Beschlusses von 2005 revidiert und spätestens einhundert Jahre post factum zu einer qualifizierten Beurteilung der an den osmanischen Christen verübten Verbrechen gelangt?

Antwort: (…) [Es] ist fraglich, ob eine offizielle Bezeichnung der damaligen schrecklichen Vorgänge als Völkermord beziehungsweise Genozid durch den Deutschen Bundestag einen Aussöhnungsprozess zwischen Armeniern und Türken und die historische Aufarbeitung in der Türkei fördern würde. Hier ist eine intensive Prüfung notwendig. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Einschätzung, dass 1915 an den Aramäern [sic! Armeniern?] ein Völkermord begangen wurde und auch die Menschenrechte anderer christlicher Gruppen massiv verletzt wurden.

Das Bundeskanzleramt antwortete am 3. Juni 2013 auf einen erinnerungspolitischen gemeinsamen Appell der AGA und mehrerer armenischer, aramäischer sowie pontosgriechischer Vereine und Verbände, der dieselbe Frage enthielt, ganz alla turca: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Bewertung der tragischen Ereignisse von 1915/16 unabhängigen Historikern vorbehalten bleiben sollte.“2 Das Antwortschreiben widerspricht sich anschließend selbst, indem weiter ausgeführt wird: „Die Bundesregierung sieht die Aufarbeitung der Ereignisse von 1915/16 in erster Linie in der Verantwortung der betroffenen Staaten Türkei und Armenien (…).“ Abgesehen davon, dass damit Jahrzehnte internationaler Forschungsleistungen ignoriert werden, wird fälschlich vorausgesetzt, dass es in der Türkei genügend „unabhängige Historiker“ gibt und geben kann.

Für die armenischen, aramäisch-assyrischen und kleinasiatisch-griechischen Gemeinschaften Europas ist eine derartige Halbherzigkeit und Unentschlossenheit schwer erträglich. AGA und die Verbände wenden sich deshalb erneut mit einem Appell an die Bundeskanzlerin.

Stationen: Türkische Botschaft Berlin – Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten Juden Europas – Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas – Bundeskanzleramt

Teilnehmer: Arbeitsgruppe Anerkennung (AGA) e.V. – DurDe-Initiative Deutschland – Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V. – Verband der Vereine der Griechen aus Pontos in Europa e.V. (OSEPE)

Ablauf:

14:00-15:00 Uhr: Berlin Mitte, Tiergartenstr., gegenüber der türkischen Botschaft: Mahnwache vor Türkischer Botschaft Berlin; Überreichung eines gemeinsamen Appells

Türkische Botschaft Berlin
Tiergartenstr. 19-21,
10785 Berlin-Tiergarten

15:00-15:15 Uhr: Mahngang (Tiergartenstraße, Lennéstraße, Ebertstraße) zum Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten Juden Europas (Cora-Berliner-Straße 1, 10117 Berlin; Information: http://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-ermordeten-juden-europas.html#c694)

15:15 -15:30 Uhr: Niederlegung eines Blumengebindes am Stelenfeld und stilles Gedenken

15:45-16:00 Uhr: Niederlegung eines Blumengebindes und stilles Gedenken am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (Simsonweg/ Scheidemannstraße, zwischen Brandenburger Tor und Reichstag; Information: http://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-ermordeten-sinti-und-roma.html)

16:15 Uhr: Fortsetzung des Mahngangs zum Forum am Bundeskanzleramt (Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin-Mitte); Route: Simsonweg – Scheidemannstraße – Heinrich-von-Gagern-Straße, Paul-Löbe-Allee

16:15-17:00 Uhr: Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt; Überreichung eines Appells

Ab 18:00 Uhr: Kranz- und Blumenniederlegung an der künftigen Ökumenischen Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich in Berlin-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 37-67, 14059 Berlin-Charlottenburg, http://www.genozid-gedenkstaette.de/ueberuns/index.php; http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/luisenfriedhof_3.html); Verkehrsanbindung: S-Bahnhof Westend; Bus 139 (Station: Friedhöfe Fürstenbrunner Weg)

Berlin, 19. April 2014: NIE WIEDER! Erinnerungspolitischen Mahngang gegen Genozid und Minderheitendiskriminierung