Presseerklärung

„Nachahmenswerter wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Völkermord“

Frankreichs Senat verabschiedet Gesetz gegen Genozidleugnung

Berlin, 23. Januar 2012. – Die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V. begrüßt die Verabschiedung einer Gesetzesvorlage zur Bestrafung von Genozidleugnung durch die zweite gesetzgebende Kammer Frankreichs. Mit der zu erwartenden Unterzeichnung durch Präsident N. Sarkozy tritt das Gesetz demnächst in Kraft und erlaubt dann auch die Pönalisierung der Leugnung von Genoziden, die vor der UN-Völkermordkonvention von 1948 begangen und durch die nationale Gesetzgebung Frankreichs „anerkannt“ wurden. Zu diesen Fällen gehört der Genozid gegen die armenischen Bürger des Osmanischen Reiches 1915/16.

Damit hat Frankreich nach den EU-Staaten Spanien und Slowakei ein Gesetz eingeführt, das die Leugnung von Völkermord – von dem jüdischen Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel treffend als „zweite Tötung“ bezeichnet – grundsätzlich und nicht nur im Fall der Holocaustleugnung unter Strafe stellt. Eine analoge Ausweitung des §130 StGB (Deutschland) hatte die Arbeitsgruppe Anerkennung, unterstützt von überregionalen armenischen, aramäisch/assyrischen und griechischen Verbänden sowie Ortsvereinen, schon am 15. Oktober 2008 beim Deutschen Bundestag beantragt. Wir werden jetzt die deutschen Gesetzgeber um eine zügige Entscheidung im Sinne der Antragsteller bitten.

Im Vorfeld der Beschlussfassung im französischen Oberhaus war es monatelang zu massiven Boykottdrohungen durch die türkische Regierung gekommen. Dazu erklärte Prof. Dr. Taner Akçam (Clark University), der als erster türkischer Wissenschaftler den Genozid an den Armeniern anerkannte: “Die Türkei sollte einsehen, dass Drohungen gegen andere nicht dem Benehmen eines internationalen Akteurs entsprechen. Die Türkei kann die repressive Innenpolitik gegenüber ihrer eigenen Geschichte und ihren Minderheiten nicht fortsetzen. Sie darf nicht dritte Staaten bedrohen, ihre Gedanken über das Jahr 1915 zu äußern und gleichzeitig vorgeben, ein Mitglied der demokratischen Staatengemeinschaft zu sein. Meine Hoffnung ist, dass die Türkei eine Lehre aus der französischen Entscheidung gezogen hat. Statt Frankreich zu bedrohen, sollte die Türkei ihre Hausaufgaben machen und die noch freien Hintermänner beim Mord an Hrant Dink ermitteln, bei denen es sich überwiegend um Staatsbeamte handelt.“

Wir möchten in diesem Zusammenhang auch auf den in türkischen Stellungnahmen häufigen „exkulpierenden“ Hinweis auf französische Kolonialverbrechen in Algerien eingehen. Der Ministerpräsident und Vorsitzende der Nationalen Demokratischen Partei Algeriens, Ahmed Ouyahia, verwahrte sich in einem Interview am 7. Januar 2012 gegen solche Vereinnahmung der Leiden seines Volkes für eine antifranzösische bzw. antiarmenische Politik der Türkei: „Wir geben unseren türkischen Kollegen den Rat, unser Blut nicht zum Objekt des Handels zu machen. Jeder ist frei, seine Interessen wahrzunehmen. Aber niemand darf das Blut des algerischen Volkes missbrauchen. Die Türkei überfiel Algerien 1830 und überließ es nach drei Tagen den Franzosen. Bis zur Unabhängigkeit Algeriens 1962 hat die Türkei bei allen UNO-Resolutionen gegen die Interessen Algeriens gestimmt. Die Türkei war Teilhaber der Verbrechen der Franzosen in Algerien. Die Türkei ist Nato-Mitglied, und Frankreich hat mit der gleichen Munition gegen Algerien gekämpft, die in der Türkei hergestellt wurde.“

Vgl. auch unsere Meldung und Erklärung vom 22.12.2011:
https://www.aga-online.org/paris-22-dezember-2011-franzoesische-nationalversammlung-verabschiedet-gesetz-zur-bestrafung-von-genozidleugnung-oppositionelle-intellektuelle-aus-und-in-der-tuerkei-erklaeren-sich-gegen/
https://www.aga-online.org/berlin-23-12-2011-vorsitzende-der-arbeitsgruppe-menschenrechte-und-humanitaere-hilfe-der-cdu-csu-bundestagsfraktion-wuerdigt-franzoesischen-gesetzentwurf-zur-genozidleugnung/

Antrag beim Petitionsausschuss:

https://www.aga-online.org/aga-beantragt-beim-petitionsausschuss-erweiterung-von-artikel-130-stgb-beantragt/

Downloads: