Presseerklärung „KEIN KULT UM VÖLKERMÖRDER
– Weder in Berlin, noch sonst wo“

AGA und SKD appellieren an den Regierenden Bürgermeister von Berlin
und den Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln

Berlin-Frankfurt/Main, 23. April 2012. – Auch 97 Jahre nach der Vernichtung der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reiches verweigert der Nachfolgestaat – die Republik Türkei – die Aufarbeitung der Geschichte, geschweige denn die Übernahme der historischen Verantwortung. Dies gilt auch für die Mitopfer der Armenier: die aramäischsprachigen Suryoye bzw. Aramäer/Assyrer sowie die griechisch-orthodoxe Bevölkerung Kleinasiens bzw. des Pontos.

Die juristisch folgenlose Vernichtung von über drei Millionen Menschen bei staatlich organisierten Massakern und Todesmärschen wurde zum negativen Vorbild der vermeintlich „erfolgreichen“ Lösung inländischer politischer bzw. ethnischer Konflikte. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auf Befehl türkisch-republikanischer Regierungen verübt wurden wie die Massaker und Deportationen der Bevölkerung Dersims 1937/38 und der kurdischen Bevölkerung seit 1921.

Für die im letzten Jahrzehnt osmanischer Herrschaft begangenen Verbrechen hat sich die Türkei weder entschuldigt, noch die staatlich beschlagnahmten Kirchen, Klöster, Schulen, Friedhöfe und sonstigen Immobilien christlicher Gemeinschaften rückerstattet. Diese müssen in jedem Einzelfall die Rückgabe gerichtlich erstreiten, oft mit negativem Ausgang. Die Türkei hat für kein einziges armenisches Baudenkmal die Anerkennung als Weltkulturerbe und damit den Schutz der UNESCO beantragt, sondern im Gegenteil jahrzehntelang sakrale und weltliche armenische Bauten vernachlässigt oder sogar mutwillig zerstört. Für die Restgemeinschaft von höchsten 60.000 Armeniern in der Türkei bestehen, ebenso wie für die übrigen indigenen Christen, weiterhin zahlreiche Beeinträchtigungen ihrer kollektiven und individuellen Religionsfreiheiten und –rechte.

Am bedenklichsten erscheint uns, dass bis heute in der türkischen Mehrheitsbevölkerung die negative Wahrnehmung von Christen – Armeniern, Griechisch- und Syrisch-Orthodoxen – überwiegt. An diesem negativen Bild tragen erheblich die Medien und Schulbücher des Landes Schuld, die jahrzehntelang und teilweise bis in die unmittelbare Gegenwart Christen ungestraft als unpatriotisch und türkeifeindlich darstellen durften. Am 26. Februar 2012 drohte auf einer antiarmenischen Massendemonstration in Istanbul – Hauptslogan „Ihr seid Armenier, ihr seid alle Bastarde!“ – der türkische Innenminister ungestraft Kollektivvergeltung an. Anfang 2012 provozierte der türkische Europaminister Egemen Bağış gezielt durch öffentliche Leugnung des Völkermords an den Armeniern das Schweizer Rechtswesen – er wusste, dass er aufgrund seiner Immunität straffrei ausgehen würde. Ein türkischer Wehrpflichtiger, der seinen armenischen Kameraden Sevag Balikci ausgerechnet am 24. April 2011 erschossen hat, ist weiterhin auf freiem Fuß. Der armenische Rekrut war zuvor von seinem Vorgesetzten zusammengeschlagen worden. Die bisherige Unfähigkeit der türkischen Justiz, Straftaten an Christen umfassend aufzuklären und zu ahnden – etwa im Mordfall Hrant Dink – trägt zur Gefährdung christlicher Minderheiten bei.

Zum verbreiteten negativen Bild von Christen und speziell Armeniern trägt nicht zuletzt die offizielle Verehrung der für den Völkermord politisch Hauptverantwortlichen bei. Soweit diese von osmanischen Kriegsgerichtshöfen 1919 verurteilt und – in wenigen Fällen – hingerichtet oder von armenischen Rächern 1921 und 1922 im Ausland erschossen wurden, gelten diese Massenmörder als „nationale Märtyrer“1. Dieser Kult erstreckt sich auch auf Deutschland und besonders auf einen historischen islamischen Friedhof in Berlin.

In einem Offenen Brief (siehe Anlage oder https://www.aga-online.org/berlin-22-april-2012-kein-taeterkult-in-berlin-offener-brief-von-aga-und-skd-an-den-regierenden-buergermeister-berlins/) appellieren wir und die armenischen Gemeinden Berlins an den Regierenden Bürgermeister der deutschen Hauptstadt, Klaus Wowereit, dem bizarren Kult um gerichtlich verurteilte Massenmörder ein Ende zu setzen und zu verhindern, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften ihre Räume türkisch-nationalistischen Vereinen für Veranstaltungen zur Verfügung stellen, die zur qualifizierten Genozidleugnung, zur Volksverhetzung, Beleidigung der Toten als „Vaterlandsverräter“ und weiteren Straftaten führen. Bislang wurden derartige Straftaten in Berlin und anderswo nicht geahndet. Wir fordern darum:

KEIN KULT UM VÖLKERMORDTÄTER – WEDER IN DEUTSCHLAND, NOCH ANDERSWO!
DEUTSCHLAND DARF NICHT ZUM STRAFFREIEN RAUM
FÜR GEZIELTE GENOZIDLEUGNUNG WERDEN!

Termine am 24. April 2012:

  • Berlin-Neukölln, Columbiadamm 128 (am Eingang zur „Türkischen Märtyrermoschee Berlins“, 12:30- 14:00 Uhr, Mahnwache „KEINE VEREHRUNG FÜR MASSENMÖRDER!“

https://www.aga-online.org/keine-verehrung-fuer-massenmoerder-april-2012/

  • 24. April 2012, Frankfurt/Main, 13:00 Uhr: Trauerkranzniederlegung für die Opfer des Genozids an den Armeniern vor dem türkischen Generalkonsulat Frankfurt/Main (Kennedyallee 1125-117, 60596 Frankfurt/Main); 14:00-15:00 Uhr: Mahnwache zum Gedenken an die Völkermordopfer, An der Zeil (am weißen Marmorbrunnen)

https://www.aga-online.org/aufruf-und-mahnwache-april-2012/

Kontakt: Dr. Tessa Hofmann (AGA): 030/8516409 oder 030/83854208 oder Tessa.Hofmann@aga-online.org
Ali Ertem (SKD): Tel.: 0049/69/5970813 E-Mail: skd@gmx.net

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